© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Zitate

"Drei Monate liegt der Machtwechsel in Bonn zurück, und schon erkennt man die große, durchaus ruhmreiche Volkspartei CDU nicht wieder. Sie krampft in der Oppositionsrolle wie eine alternde Diva, die glaubt, zu Unrecht ausgebuht worden zu sein. Sie blamiert sich mit Starrsinn. Sagt nein zu allem, was von der Regierung kommt, auch zu Vorschlägen, die sie vor kurzem noch selbst diskutierte. Den vorläufigen Tiefpunkt der fundamentalen Identitätskrise der CDU markiert die angekündigte Kampagne gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Eine große Volkspartei versucht eine demokratische Regierung durch außerparlamentarische Mobilisierung unter Druck zu setzen, als sei sie eine späte APO. Die CDU verliert ihren Stil."

Werner Kolhoff in einem Kommentar in der "Berliner Zeitung" vom 5. Januar 1999

 

 

"Sie (die multikulturelle Gesellschaft, Anm. d. Red.) funktioniert unter den Bedingungen von Arbeitslosigkeit und Wohnungsproblemen auf der ganzen Welt nicht. Wahrscheinlicher ist die Gefahr einer Mosaikgesellschaft, in der sich Menschen stärker mit ihren Subgruppen identifizieren als mit der Gesamtgesellschaft. Dabei spielen auch religiöse Bindungen eine Rolle, die die Identifizierung mit unserem Lande nicht gerade erleichtern und eher für eine Fernsteuerung zum Beispiel aus den islamischen Ländern anfällig machen. (…) Die Ablehnung der Deutschen, die sich nicht nur vor der großen Zahl der Zuwanderer fürchten, wird zunehmen und damit auch die Ausländerfeindlichkeit. Die hier lebenden Ausländergruppen werden sich wegen ihrer sozialen Unterprivilegierung vermutlich zunehmend zu einem sozialen Unruheherd entwickeln, der sich bis zu ethnisch orientierten Unruhen hochschaukeln kann. Das deutsche Sozialnetz wird dem Ansturm auf Dauer nicht mehr standhalten können. Das heißt, auch die Lebensqualität vieler Deutscher wird sinken, die Straßen werden unsicher werden, und zwar auch dort, wo die Menschen leben, die die Entwicklung in den Großstädten noch nicht mitgekriegt haben."

Hans-Dieter Schwind, Kriminologe, in einem Interview mit "Focus" 53/98 vom 28. Dezember 1998

 

 

"Keine andere Nation hat so wenig nationale Identität wie die deutsche und ist so bemüht darum zu erfahren, was die Nachbarn von ihr denken. Hätten Kurden in Frankreich Pflastersteine herausgerissen, Schaufensterscheiben eingeschlagen und Polizisten halbtot geprügelt, es wäre sicher mit anderen Mitteln dagegen vorgegangen worden als in meiner Heimatstadt. (...)

Die deutsche Geschichte wird benutzt. Von viel zu vielen Menschen, die sich selbst damit nur als Rassisten outen. Auch wenn es sich primär um deutsche Geschichte handelt, es ist doch Geschichte. Daraus lernen sollten aber nicht die Deutschen nichtjüdischen Glaubens, sondern alle Menschen auf der Welt. Hört endlich auf Täter zu benennen, die keine sind."

Kathi-Gesa Klafke (23), Studentin, in einem Beitrag im "Spiegel" 53/98 vom 28. Dezember 1998

 

 

"Focus: Glauben Sie, Ihr Ansehen wäre in einem klassischen Filmland wie etwa Frankreich größer – hieße es da: Moritz Bleibtreu, unser neues Sexsymbol?

Bleibtreu: Sie sagen es, genau wie es ist: Betonung auf unser. Das ist das Problem in Deutschland: Uns fehlt das Gemeinschaftsgefühl, die Verbundenheit. Aus diesem Verbundenheitsgefühl entsteht Film aber erst. ‘Cinema Paradiso’ konnte nur in Italien entstehen, Monty Python nur in England. Bei uns muß sich so etwas erst wieder entwickeln.

Allerdings muß man sagen: Momentan passieren hier Sachen, die sind nicht schlecht. Daß Joschka Außenminister ist, zum Beispiel. Der Typ macht sich gut, der ist cool, der ist ein Hausbesetzer, und jetzt ist er vorn. So was find’ ich klasse. was Deutschland guttun würde, ist eine gesunde Portion Optimismus."

Moritz Bleibtreu, Schauspieler, im Interview mit dem "Focus" 53/98 vom 28. Dezember 1998


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