© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


Euro: Start der gemeinsamen europäischen Währung
Im Jahre Null
Alain de Benoist

Seit dem 1. Januar ist der Euro legale Währung in elf Staaten der EU. Der Zeitpunkt ist nicht ideal, denn er startet in einem Klima weltweiter Finanzschwankungen, Krisen auf den neuen Märkten, rückgängigen Wachstums und eines Rekorddefizites des amerikanischen Haushalts.

Von der momentanen Lage abgesehen, stehen drei Fragen im Raum. Die erste ist gleichzeitig die offensichtlichste: Ist es sicher, daß der Euro bleiben wird? Die Vorteile der gemeinsamen Währung werden sicherlich spürbar sein. Insbesondere dürfte die Ausweitung der Vorteile niedriger langfristiger Zinssätze auf alle europäischen Unternehmen Investitionen fördern und das Wachstum beschleunigen. Zugleich dürfte die Einführung des Euro eine Angleichung der einzelstaatlichen Finanzpolitiken begünstigen, um dauerhaft die steuerlich bedingte Abwanderung von Unternehmen zu verhindern.

Doch es gibt auch Schattenseiten. Vor allem wird die Einführung der gemeinsamen Währung zwangsläufig den Wettbewerb verstärken, während sich die Risiken, die mit Konjunktur und Industrie zusammenhängen, weiterhin unterschiedlich auf Wirtschaften auswirken werden, die von nun an derselben Währungszone angehören. Wenn ein Ausgleich durch Abwertung nicht mehr möglich ist, besteht die Gefahr, daß dieselben politischen Konflikte aufgrund divergierender nationaler Interessen wieder auftauchen, die das europäische Projekt für immer aus dem Weg räumen wollte. Die Währungsunion wird gleichzeitig anfälliger für Deflationseffekte, die von Krisen der neuen Märkte herrühren, weil Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Märkten sich nicht durch Preisänderungen oder Angleichungen der Wechselkurse ausgleichen lassen.

Es gibt vorerst keinen Mechanismus, der es erlauben würde, durch umfangreiche Transfers die Verarmungseffekte auszugleichen, die sich in bestimmten Regionen ergeben können, wenn Wirtschaften mit ein und demselben Zinssatz sich unterschiedlich schnell entwickeln. So besteht das Risiko, daß Gleichgewichtsstörungen in der Wettbewerbsfähigkeit automatisch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bedeuten. Anders ausgedrückt, könnten Erschütterungen mit unterschiedlichen Auswirkungen, die sich in der Vergangenheit durch Angleichung der Wechselkurse auffangen ließen, verschlimmert werden und damit politische Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten bewirken.

Die zweite Frage ist, ob der Euro in der Lage sein wird, eine amerikanische Vormachtsstellung zu untergraben, die sich bisher immer aus der dominanten Position des Dollars herleitete. Dies ist keineswegs unmöglich. Seit dem ersten Tag seiner Notierung hat der Euro etwa zwei Prozent gegenüber dem Dollar gewonnen. Der Beginn seiner Zirkulation dürfte also die Rolle des Dollars im Währungsverkehr beeinträchtigen. Auf der kommerziellen Ebene könnte der Euro bald ein Drittel der steigenden Gesamtsumme aller weltweit vollzogenen Transaktionen ausmachen. Er sollte dem Dollar darüber hinaus bei den Devisenguthaben der Zentralbanken Konkurrenz machen können: die europäischen Valuta, die lediglich sieben Prozent der amerikanischen und asiatischen Wechselbestände ausmachen, könnten sich verdoppeln lassen; die bloße Umwandlung der Staatsanleihen in Euro reicht aus, um aus dem europäischen Obligationenmarkt ein immenses Reservoir für internationale Anleger zu machen. Indessen kann die Schaffung des Euro auch den US-Banken neue Chancen verschaffen.

Die dritte Frage lautet: Wird der Euro die Entstehung eines politischen Europas begünstigen? Für den Moment mag man das bezweifeln. Der Euro alleine wird nicht als Abschußrampe dienen können, solange die europäischen Institutionen nicht ernsthaft reformiert worden sind. Bis dahin wird das Fehlen jeglicher europäischen Wirtschaftsregierung angesichts der Europäischen Zentralbank (EZB) besonders besorgniserrregend bleiben. Die Mitglieder der EZB werden über ein Vetorecht in der Haushalts-, Finanz-,Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitiken der EU-Staaten verfügen, was bedeutet, daß sie die exorbitante Macht behalten werden, Entscheidungen zu fällen, die alle europäischen Bürger betreffen, ohne jemals deren Einverständnis einzuholen oder irgend jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen.

Die Macht der EZB besteht darin, daß sie nicht nur jede politische Berücksichtigung unterschlägt, sondern auch jede demokratische Prozedur, die es den Bürgern erlaubt, die Unruhen eines finanziell instabilen neoliberalen Kapitalismus zu kontrollieren.


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