© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


"idea" im Kreuzfeuer: Evangelische Kirche will Gelder streichen
Kurs wird beibehalten
Felizitas Küble

Wer dem Zeitgeist die Zähne zeigt, muß sich warm anziehen, denn ein kalter Wind weht dem ins Gesicht, der sich nicht stromlinienförmig anpaßt. Im kirchlichen Bereich läuft das oft nicht anders als in unserer Mediengesellschaft. Die glaubenskonservative evangelische Nachrichten-Agentur "idea" kann ein Lied davon singen: ihre Pressearbeit wird seit Jahrzehnten weitaus geringer bezuschußt als die liberale Kokurrenz aus Frankfurt, die sich "epd" (Evangelischer Pressedienst) nennt.

Obwohl beim linkskirchlichen"epd" über 80 Redakteure tätig sind (bei "idea" lediglich 7), kann das evangelikal ausgerichtete Pressezentrum in Wetzlar höhere Auflagen vorweisen. "Idea arbeitet sehr effizient", so das Kirchenamt der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland). Effizient sicherlich – aber freilich nicht zeitgeistkonform. Ob dies dauerhaft ohne Konsequenzen bleiben kann? Wohl kaum,wenn man die Tatsache würdigt, daß Synoden und Gremien der EKD weitgehend linksliberal geprägt sind.

Als sich eine württembergische Interviewpartnerin unlängst in "idea" kritisch über realkirchliche Zustände äußerte und theologisch konservative Standpunkte artikulierte, folgte die kirchliche Quittung auf dem Fuße: die württembergische Synode versah ihren Zuschuß an "idea" mit einem Sperrvermerk: die zunächst geplanten 88.000 DM sollten nur unter der Bedingung einer Kursänderung gezahlt werden. Insbesondere müsse "idea" auf "kirchenspalterische Texte" künftig verzichten.

Wurde in "idea" zum Kirchenaustritt aufgerufen? War in der Wochenzeitung idea-Spektrum ein flammender Appell in Richtung Kirchenspaltung zu lesen? Hat die Redaktion eine neue Konfession gegründet? Mitnichten.

Als "kirchenspalterisch" kritisierte die liberale "Offene Kirche" ( eine starke Strömung innerhalb der württembergischen Synode) eine Stellungnahme von Christel Hausding, ihrerseits Sprecherin der pietistischen "Lebendigen Gemeinde"; die Vertreterin evangelikaler Synodaler erklärte in einem "idea"-Interview folgendes zur innerkirchlichen Situation: "Es gibt zwei Kirchen unter einem Dach, eine mit einem liberalen Verständnis vom Handeln Jesu und seiner Botschaft (Jesus als Vorbild) – und eine, die die biblischen Aussagen ernst nimmt, daß Jesus Christus der Erlöser und lebendige Herr aller Menschen ist."

Diese eher moderaten Töne wurden von der Vereinigung "Offene Kirche" als Kampfansage gedeutet.In einer Pressemitteilung der Initiative heißt es, die "evangelikale Lust an der Verketzerung Andersdenkender" erschwere die Zusammenarbeit und reiße Gräben auf, statt sich "gegenseitig anzunehmen". Mit diesem schrillen Rundumschlag reagierte der Leitungskreis der "Offenen Kirche" auf die theologisch konservativen, aber durchaus nicht aggressiven Äußerungen von Frau Hausding. Wo bleibt hier, so fragte sich mancher, die liberale Gelassenheit?

Meinungsverschiedenheiten, auch offen ausgetragene Kontroversen, dürften in einer Kirche, die sich viel auf ihren "Pluralismus" (zum Beispiel präsentiert auf Kirchentagen) zugutehält, eigentlich kein Grund zur Sorge, gar zum Zudrehen des Geldhahns sein. Doch bei glaubenskonservativer Kirchenkritik ist die tolerante Geduld offenbar schnell zu Ende. "Idea" zeigte sich derweil gesprächsbereit, aber auch prinzipienfest: "Wir werden unseren Kurs grundsätzlich beibehalten,", erklärte die Redaktion.

Helmut Matthies, der 48jährige Theologe und Leiter des "idea"-Pressezentrumsin Wetzlar, will sich seine biblischen Maßstäbe in der Beurteilung auch der kirchlichen Verhältnisse weiterhin nicht nehmen lassen. Für den erfolgreichen Medienpfarrer, unter dessen Führung "idea" in den letzten 20 Jahren immer stärker ausgebaut und modernisiert wurde, ist die Pressearbeit mehr als nur ein "Job". Er sieht es als seinen Auftrag, wachsam zu sein für die Bedrohung des bibeltreuen Christentums durch weltliche und "zeitgeistliche" Kräfte in und außerhalb der Kirche. Zugleich möchte er "Flagge zeigen", und "anstößig" an der Botschaft des Glaubens und den Geboten Gottes festzuhalten.

Für ihn und seine Mitarbeiter gehört zu einem profilierten Glaubenszeugnis auch der Mut, Fehlentwicklungen in Kirche und Gesellschaft ungeschminkt unter die biblische Lupe zu nehmen und entsprechend zu beurteilen. Dies gilt auch für ethische Fragen, besonders hinsichtlich der Gefahren für das menschliche Leben: Abtreibung, Euthanasie, gentechnische und biomedizinische Grenzüberschreitungen. Für seine zeitgeistkritische Zivilcourage gerade in diesen Themenfeldern erhielt Helmut Matthies 1997 einenLebensrechtspreis der Stiftung "Ja zum Leben".

Die Stiftung, die für die "Rechte der Ungeborenen" eintritt, begründete diese Würdigung damit, daß "Helmut Matthies seit Jahrzehnten evangelische Kirchenleitungen ermahnt, sich nicht einem verhängnisvollen familien- und lebensfeindlichen Zeitgeist anzudienen, sondern an den biblischen Wahrheiten und Geboten festzuhalten".

Wer den evangelikalen Pressechef und seine prinzipienorientierte Redaktion kennt, der weiß, daß "idea" auch weiterhin – kirchliche Zuschüsse hin oder her – an diesem Kurs festhalten wird, denn die Botschaft des Glaubens (er)fordert auch den Mut zum Widerspruch.


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