© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


SPD/PDS: Arbeitskreis "Neue Mitte" von Sozialdemokraten gegen die PDS-Kooperation gegründet
Besorgt über rot-rotes Techtelmechtel
Alexander Schmidt

Die Landesvorstände der SPD in den östlichen Bundesländern stehen vor der politischen Gretchenfrage. Am Sonntag gründeten sich in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zwei Gesprächskreise, in denen Politiker der Ost-SPD eine kritische Auseinandersetzung mit der Tolerierungspolitik der SPD gegenüber der PDS forderten.

Ein weiterer Kreis der "Neuen Mitte" existiert bereits in Sachsen-Anhalt. Die Hauptthese der dem konservativen "Seeheimer- Kreis" nahestehenden "Neuen Mitte" ist, daß eine Zusammenarbeit der SPD im Osten mit der PDS für die weitere Regierung gefährlich sei. Die Ost-SPD hat sich 1989 in strikter Opposition zur SED gebildet. Schon aus diesem Grund sei jegliche Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei zu vermeiden, weil andernfalls die Akzeptanz der SPD im Osten geschwächt werde.

In dem Thesenpapier der "Neuen Mitte" wird betont , daß SPD und PDS – "die den Rechtsstaat noch immer nicht begriffen hat" – keine Bruderparteien sind; ein Bekenntnis zu Grundgesetz und sozialer Marktwirtschaft werde verweigert. Statt dessen hört man bei den SED-Erben des öfterenTöne von der "Systemopposition" und Diskriminierung des Rechtsstaates, nach alter Klassenkampfmanier mit dem Vorwurf zur Siegerjustiz.

"Statt die PDS als natürlichen Bündnispartner anzuerkennen und diese zu stabilisieren", heißt es in dem Papier weiter, sollten sich statt dessen Ortsverbände der Sozialdemokraten weiterhin ehemaligen SED- und PDS Mitgliedern öffnen, die sich zur sozialdemokratischen Programmatik bekennen. Erfahrungen aus Magdeburg und Schwerin hätten gezeigt, daß die PDS trotz Einbindung der SPD weiterhin sozialpopulistische Haushaltspolitik betreibe. Von den 27.000 SPD-Mitgliedern in den östlichen Bundesländern lehnten nach Angaben des sächsischen SPD-Chefs Karl-Heinz Kunkel 80 Prozent aller Sozialdemokraten in Sachsen Koalitionen mit der Ex-SED strikt ab. In Mecklenburg-Vorpommern dagegen liebäugelt Ministerpräsident Harald Ringstorff ungeniert mit einer rot-dunkelroten Koalition. "Mir pfuscht niemand ins Handwerk", betont er. Die Regierungsarbeit in Schwerin laufe schließlich gut. Eher verärgert als aufgeschlossen reagierte auch die Bundesregierung über die Forderung der prominenten SPD-Mitglieder nach einer Kurskorrektur. Der Bundesgeschäftsführer der SPD, Ottmar Schreiner, will die Debatte "ganz niedrig hängen". Um strittige Fragen zu klären, sei das "Forum Ostdeutschland" gegründet worden. Vorsitzender des Forums ist der der "Neuen Mitte" kritisch gegenüberstehende brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe. Ebenso wollen Parteichef Lafontaine und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die in ihren Augen unwichtige Diskussion um die PDS beenden. "Wir hatten keine Zeit, uns mit der Diskussion zu beschäftigen", erklärt Lafontaine. Die Entscheidung liege bei den Parteiverbänden. Stolpe erklärte in der Berliner Morgenpost, daß es "in der ostdeutschen SPD keine Frage gibt, die überflüssigerweise so viel diskutiert wird wie diese." In der Tat, auf dem SPD-Parteitag 1994 wurde beschlossen, daß es keine Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS geben dürfe.

Nach den jüngsten Entscheidungen der SPD wird sich eine Diskussion nicht mehr vermeiden lassen. "Bis zur Bundestagswahl haben wir aus Loyalität geschwiegen, aber jetzt müssen Pflöcke eingerammt werden", drängt der Mitkoordinator der Gruppe, der Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber, zur Eile. Weitere Mitglieder der Gruppe sind der SPD-Fraktionsvorsitzende der letzten DDR-Volkskammer, Richard Schröder, der Magdeburger Oberbürgermeister Willi Polte, der letzte DDR-Außenminister Markus Meckel und der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Rolf Schwanitz.


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