© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


Medien: Zeitschriften für erneuerbare Energien beenden ihr Nischendasein
"Es brechen sonnige Zeiten
Gerhard Quast

Der Markt für Solarstrom boomt: Lag der Absatz 1997 weltweit lediglich bei rund 120 Megawatt, wird die Photovoltaik-Produktion bis zur Jahrtausendwende auf nahezu 280 Megawatt jährlich ansteigen. In zehn Jahren könnte die Leistung nach Schätzungen der Deutschen Shell AG bereits bei 1.500 bis 2.000 Megawatt liegen. Kein Wunder, daß fast jeder Artikel über die Solartechnik mit einem Hinweis auf den bevorstehenden "Durchbruch" dieser Wachstumsbranche beginnt. Doch das "Solarzeitalter" läßt in Deutschland noch auf sich warten. Bis heute beträgt der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix nur wenige Prozent. Photovoltaische Zellen tragen dazu kaum etwas bei: Nur 0,004 Prozent der gesamten deutschen Stromversorgung geht auf das Konto dieses Solarstroms.

Trotzdem steht die deutsche Solarzellen-Industrie seit Jahren in den Startlöchern. Nach einer Zeit der Produktionsverlagerungen ist inzwischen auch der Standort Deutschland wieder attraktiv geworden: Ob Shell Solar, die Angewandte Solarenergie-ASE, Würth Solar, AnTec Solar, Solon oder Sunways, sie alle bauen 1999 ihre Photovoltaik-Produktion aus. Insgesamt könnte die Kapazität in Deutschland so in kürzester Zeit auf über 80 Megawatt anwachsen.

Hoffen kann die Branche jetzt auch noch auf die rot-grüne Bundesregierung, die in ihrer Koalitionsvereinbarung übereingekommen ist, daß die Energieversorgung der Zukunft ganz wesentlich den erneuerbaren Energien vorbehalten bleiben soll. In dem Koalitionspapier wurde nicht nur die Beseitigung der Hemmnisse angekündigt, die eine verstärkte Nutzung regenerativer Energien verhindern, sondern auf Druck einer fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppe – bestehend aus rund 50 "solaren Parlamentariern" aus dem Regierungslager – in letzter Minute auch ein 100.000-Dächer-Photovoltaik-Programm aufgenommen. Initiiert wurde der Katalog mit Vorschlägen zur Verbesserung der Marktzugangsbedingungen für erneuerbare Energien von den beiden Parlamentariern Hermann Scheer (SPD) und Hans-Josef Fell (Bündnisgrüne).

"Rot-Grün ist an der Macht. Das weckt Hoffnungen auf eine stärkere Förderung der erneuerbaren Energien", frohlockt denn auch Photon-Chefredakteurin Anne Kreutzmann in der November-Ausgabe des Solarstrom-Magazins – um ihre Leser gleich wieder auf den Boden der Realitäten zurückzuholen: "Wer jetzt jubelt, sollte allerdings auch das Kleingedruckte lesen", denn der Neu-Kanzler Schröder habe sich "jede Menge Spielraum gesichert" und bereits innerhalb der ersten 100 Tage bewiesen, "daß von ihm eher Evolution statt Revolution zu erwarten" sei. Die umweltbewegte Seele schwanke "zwischen Aufbruchstimmung und Enttäuschung, zwischen Kampfeslust und Mäkelei", meint Photon-Autor Gerd Rosenkranz im gleichen Heft. "Einerseits hätten die Anhänger der erneuerbaren Energien innerhalb und außerhalb der neuen Regierungsfraktionen gern konkretere Handlungsanweisungen für den Aufbruch ins Solarzeitalter im rot-grünen Koalitionsvertrag gelesen. Andererseits verbaut er auch nichts." Doch an einem kann für die im März 1996 an den Start gegangene zweimonatlich erscheinende Hochglanzzeitschrift Photon trotzdem kein Zweifel bestehen: "Für die Freunde erneuerbarer Energien brechen sonnige Zeiten an."

Diesen Eindruck vermittelt die ausgesprochen ansehnliche Publikation seit ihrem ersten Erscheinen: 1996 war es die Solarkampagne "Cyrus" von Greenpeace, eine Übersicht über den Stand der kostendeckenden Vergütung in Deutschland und ein Vierfarbbericht über Solararchitektur, die dem Leser signalisieren sollten, daß eine "Sonnenwende" bevorstünde. Heute erweckt die farbenfrohe Zeitschrift mit vielfältigen Reportagen und Berichten beim Leser den Eindruck, das Solarzeitalter sei längst Realität: Solaranlagen auf Kirchendächern, Solarsiedlungen, Solarfahrzeuge, solarthermische Kraftwerke, solare Aktien, Solarspielzeug… Sonnenenergie, wo auch immer. Der Markt für die "himmlische Energie" scheint unbegrenzte Möglichkeiten zu bieten.

Das hoffen auch die anderen sich zunehmend am Markt etablierenden Zeitschriften, die sich der Solarenergie verschrieben haben und den sich langsam abzeichnenden Aufbruch der Solarindustrie Heft für Heft herbeibeten; gleichzeitig aber auch wissen, daß es keinen Grund gibt, sich nach dem Regierungswechsel untätig zurückzulehnen: "Sowohl für das Anliegen der Solarenergieanhänger als auch für die handelnden Personen wird es entscheidend sein, daß jetzt der ausreichende Druck entsteht, damit aus den Ankündigungen Taten werden", schreibt die Herausgeberin der schon seit Herbst 1993 erscheinenden Sonnenzeitung, Ute Stockhammer.

Das in Österreich verlegte und zunehmend auch in Deutschland verbreitete Magazin (Gesamtauflage: 55.000) hat sich zur Aufgabe gemacht, den solaren Grundgedanken möglichst umfassend zu verbreiten, die Grenzen der reinen Solarszene zu sprengen und möglichst viele Bürger "mit an Bord für den großen Gedanken einer solaren Zukunft zu bekommen". Zur Verwirklichung einer solaren Gesellschaft möchte das "Magazin für Erneuerbare Energie" deutlich machen, welche "immensen Vorteile die solaren Energieträger Sonne, Wind, Wasser und Biomasse bieten".

Ähnlich groß ist das Themenspektrum auch bei dem Monatsmagazin Erneuerbare Energien, (geprüfte Auflage: 6.050), das bereits im neunten Jahr erscheint und wie Photon und die Sonnenzeitung an gut sortierten Zeitungskiosken erhältlich ist. Neben der Photovoltaik wird in dem "Monatsmagazin für die Zukunftsenergien" schwerpunktmäßig vor allem über die bei Landschaftsschützern äußerst umstrittene Nutzung der Windenergie berichtet.

Programm ist auch der Titel der von Hermann Scheer seit fast zehn Jahren mitherausgegebenen Vierteljahreszeitschrift Solarzeitalter. Die im Vergleich zu den anderen Magazinen eher schlicht aufgemachte Zeitschrift für "Politik und Ökonomie Erneuerbarer Energien" ist das Organ der deutschen Sektion von Eurosolar, der Europäischen Sonnenenergie-Vereinigung, die alljährlich den Europäischen Solarpreis vergibt.

Daß auch eine rot-grüne Bundesregierung noch lange keine Garantie für das von der Zeitschrift herbeigesehnte Solarzeitalter sein würde, war der Redaktion schon vor der Wahl klar. Und "von selbst" geschieht auch jetzt nichts. Die Regierung müsse vielmehr "immer wieder beim Wort genommen und angetrieben werden", so Irm Pontenagel im Solarzeitalter. Es komme deshalb jetzt vor allem darauf an, "die neue Parlamentsmehrheit mit ihren direkten Einflußmöglichkeiten auf die Regierungsmacht zu aktivieren".

Daß auch nach der Wende in Bonn der Druck der "solaren Parlamentarier" um Hermann Scheer und Hans-Josef Fell notwendig bleibt und durchaus von Erfolg gekrönt sein kann, hat das Schachern um den Koalitionsvertrag gezeigt.

Von den anstehenden Gesprächen über den Ausstieg aus der Atompolitik erhoffen sich die Verfechter der erneuerbaren Energien eine "Innovationsdynamik" zugunsten moderner Energiealternativen. Auf jeden Fall dürfte der langsam beginnende Aufbruch ins Solarzeitalter das Nischendasein beenden, das viele der genannten Zeitschriften bisher führen mußten.

 

"Erneuerbare Energien. Monatsmagazin für die Zukunftsenergien" erscheint monatlich bei der SunMedia Verlagsgesellschaft für Erneuerbare Energien, Querstraße 31, 30519 Hannover. Einzelheft 8 Mark, Jahresabo 90 Mark

"Photon. Das Solarstrom-Magazin" erscheint zweimonatlich im Solar Verlag, Wilhelmstr. 34, 52070 Aachen. Einzelheft 6,90 Mark, Jahresabo 36 Mark

"Solarzeitalter. Politik und Ökonomie Erneuerbarer Energien" erscheint vierteljährlich im Verlag Eurosolar, Stockumer Str. 148, 44892 Bochum. Einzelheft 9 Mark, Jahresabo 36 Mark

"Sonnenzeitung. Das Magazin für Erneuerbare Energie" erscheint vierteljährlich bei der Uranus Verlagsgesellschaft, Lange Gasse 48/5, A - 1080 Wien. Einzelheft 6 Mark, Jahresabo 30 Mark


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