© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


PDS: Kommunistischer Betonkopf und "West-Import" im neuen Vorstand
Richtungsstreit bei den Genossen
Kai Guleikoff

Vielen Delegierten des PDS-Parteitages war das Haus am Köllnischen Park wohlvertraut. Vor zehn Jahren befand sich hier die Parteihochschule der SED. So manches Diplom und auch Doktortitel dieser ehemaligen Kaderschmiede schmückte den Namen der Tagungsteilnehmer im ehemaligen Großen Hörsaal.

Die zweitägige Parteiveranstaltung verlief in der traditionellen Diszipliniertheit und anerzogenen Zurückhaltung aus Zeiten der DDR-Staatspartei. Der unbequeme Parteikritiker André Brie wurde stillschweigend geschnitten und monologisierte über den drohenden Stillstand in der Partei. Seine Feststellung über die größere Totalität im Kommunismus über den Einzelnen als im Nationalsozialismus hatte ihm bereits im Vorfeld die Feindschaft der fundamen-talistischen Genossen eingebracht. Derartige Erkenntnisprozesse durften nicht zum Gegenstand weiterführender Überlegungen werden. Der "Gegenangriff" erfolgte dann auch von der Kommunistischen Plattform im Stil der "Argumentationen" der ehemals berüchtigten Parteikontrollkommissionen der SED. Der Vortragende Michael Benjamin feierte die Sowjetunion als Erlöser vom Hitlerfaschismus und Garant dafür, daß er, André Brie, Gregor Gysi und andere nicht "Asche auf den Feldern von Auschwitz" geworden seien. Benjamin ist der Sohn der bis 1953 tätigen DDR-Justizministerin ("Hilde, die rote Guillotine") und für viele überraschend gewähltes Vorstandsmitglied.

Dieser Wechsel von Brie zu Benjamin kennzeichnet den nach wie vor heftigen Richtungskampf in der SED-Nachfolgepartei. Tatsache bleibt, daß die "Alten Kämpfer" zu 90 Prozent die Parteibasis der PDS ausmachen. Sie wollen die selbstgefällige Isolation und zitieren gerne den Wortlaut des letzten Artikels von Karl Liebknecht aus der Roten Fahne vom 15. Januar 1919: "Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Bande werfen – wir sind da, und wir bleiben da! Und der Sieg wird unser sein."

Der sorgfältig geplante Termin der Tagung im Zusammenhang mit dem Gedenken an den 80. Todestag von Liebknecht und Luxemburg brachte einen zusätzlichen Eklat. Die Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, selber Parteitagsdelegierte und Diskussionsrednerin, verwirklichte auf eigene Faust einen Beschluß des Parteivorstandes vom 9. Februar 1998. Gemeinsam mit dem damaligen Antragsteller Klaus Höpcke und anderen Sympathisanten installierte sie ein Denkmal der Kommunistenführerin vor dem Haus des Parteivorstandes in Berlin. Das Denkmal will nun der alte und neue Parteivorsitzende Lothar Bisky entfernen lassen.

Der Reformunwilligkeit in den eigenen Reihen soll wieder einmal mit "West-Importen" begegnet werden. Der Musikverleger Diether Dehm aus Frankfurt am Main wurde zu einem der Stellvertreter des Parteivorsitzenden gewählt. SPD-Überläufer Dehm bleibt wie der ehemalige Grünen-Politiker Rolf Wettstädt aus Brandenburg ein Exot in der PDS-Parteienlandschaft. Im Umgang mit neuen Ideen mußte Bisky in seinem Referat eingestehen: "Deshalb ist es politisch nicht vertretbar, daß das Rostocker Manifest gelegentlich in den eigenen Reihen wie ein toter Hund behandelt wird."


 
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