© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/99 29. Januar 1999


Grüne Woche: Bericht über geplante Massentierhaltung vorgelegt
Geschundene Kreaturen
Gerhard Quast

Neubukow im Landkreis Bad Doberan war ein verschlafenes mecklenburgisches Nest. Doch für viele ist es mit der Idylle vorbei. Seit bekannt ist, daß inmitten einer der schönsten Landschaften Deutschlands die Mecklenburgische Frischei GmbH eine "Massenquälanlage" für 794.000 Legehennen errichten will, gehen die Menschen auf die Straße. Ein aus Tier-, Umweltschutz- und Bürgerverbänden zusammengeschlossenes "Aktionsbündnis Neubukow" machte den kleinen Ort bundesweit zum Inbegriff einer ins Gigantische anwachsenden Massentierhaltung. Trotz der massiven Proteste, die schon seit Jahren stattfinden, hält der Investor jedoch an seinem umstrittenen Vorhaben fest, in einem für artgerechte Tierhaltung hervorragend geeigneten Agrarland eine achtstöckige Käfiganlage zu errichten.

Daß die Dimensionen von Neubukow noch überboten werden könnten, zeigen Planungen für Hinterweidenthal bei Pirmasens. Dort soll auf dem Gelände eines ehemaligen Nato-Tanklagers die größte Legehennenanlage Deutschlands gebaut werden. In der von der Firma Ehlego geplanten Batterieanlage haben 1,25 Millionen Tiere "Platz" – etwas mehr als in einer geplanten Anlage in Wandersleben in Thüringen, wo die Philipp Zimmerer GmbH 1,17 Millionen Legehennen unterbringen will.

Aber Neubukow, Hinterweidenthal und Wandersleben sind keine Einzelfälle. Landauf, landab befinden sich ähnlich dimensionierte Anlagen in Planung: für Legehennen, Ferkelaufzucht, Schweine- und Hähnchenmast. Anträge auf Massentierhaltungsanlagen schießen wie Pilze aus dem Boden. Darauf hat der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin hingewiesen. Nach Recherchen des BUND sind Käfigbatterien für mindestens 4,4 Millionen Legehennen und Masthähnchen, sowie für 320.000 Mastschweine vorgesehen – bundesweit insgesamt 56 Großanlagen, die so groß sind, daß sie einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Von diesen geplanten Großanlagen befinden sich 34 in den neuen Bundesländern, "wo Genehmigungen offenbar leichter zu bekommen und die Proteste der Bevölkerung schwächer sind", meint der agrarpolitische Sprecher des BUND, Hubert Weiger. Allein in Mecklenburg-Vorpommern soll die Schweineproduktion in diesem Jahr von 550.000 auf 1,2 Millionen Schweine ausgebaut werden. Die Investoren dieser agrarindustriellen Großanlagen mit bis zu 10.000 Mastplätzen kommen vorwiegend aus den Niederlanden, wo Betriebe wegen Gesundheitsgefährdungen kaum noch ausgedehnt werden könnten, meint Agrarexperte Andreas Krug. Sein Fazit: "Die neuen Bundesländer werden zur Spielwiese für Agrar-Industrielle und zu einem Brennpunkt der Massentierhaltung."

Der Startschuß für "die weitere Industrialisierung der Tierhaltung" war nach Ansicht Weigers die Erhöhung der Genehmigungsgrenzen für Tieranlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz im Februar 1997. Umweltverträgliche und tiergerechte Landwirtschaft werde seitdem "knallhart verdrängt", weil nun nur ein vereinfachtes baurechtliches Verfahren durchlaufen werden müsse.

Doch auch die neue Regierung steht in der Kritik: Bislang sei "noch nichts für die Änderung der Verhältnisse getan worden. Im Koalitionsvertrag ist von einer Rücknahme dieser Erleichterung der Massentierhaltung jedenfalls nichts zu sehen", meinte Weiger und kündigte im Namen des BUND an, bundesweit gegen diese perfide und profitorientierte Massentierquälerei sowie die negativen Umweltauswirkungen der Agrar-Industrie Widerstand leisten zu wollen.


 
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