© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


Extremismus: Autonome Gewalttäter diskutieren neue Strategien / Überfall auf Berliner Verlag
"Soviel wie möglich Schaden anrichten"
(JF)

In der gewaltbereiten linken Szene Berlins wird über neue "antifaschistische Taktiken" gegen Demonstrationen und Aufmärsche rechter Gruppen und Parteien nachgedacht und diskutiert. Das geht aus einem Text hervor, der in dem autonomen Szeneblatt Interim Mitte Januar veröffentlicht wurde.

Darin beklagen sich "einige Antifas aus von Aufmärschen heimgesuchten Städten", daß der Polizeischutz bei Demonstrationen zum Beispiel der NPD immer weiträumiger und wirkungsvoller werde. "Faktisch" gebe es keine legale Möglichkeit mehr , "einen Naziaufmarsch zu verhindern". Deshalb empfehlen die Autoren eine andere Strategie: "Der einzige Weg, irgendwie effektiv tätig zu werden, ist vor oder nach der Veranstaltung (…) Ziel sollte es sein, bei den Nazis soviel wie möglich materiellen Schaden anzurichten. (…) Einen recht gut erreichbaren Ansatzpunkt hierfür stellen Privatautos dar."

Diese Vorgehensweise müsse sich nicht auf die direkte Umgebung eines Aufmarsches beschränken. So gebe es die Möglichkeit, auch zu Hause aktiv zu werden, "z.B. durch Besuche in Privatwohnungen oder bei den dort zurückgelassenen Autos, falls die Nazis mit dem Bus gefahren sind". Das habe den Vorteil, "daß Bullenstreß weit unwahrscheinlicher ist als vor Ort". Und weiter: "Als Ziele sollten dabei nicht nur Kader, sondern auch niedere Mitglieder dienen", schreiben die Autoren.

Daß es sich bei diesen "Überlegungen" nicht nur um leere Worthülsen handelt, zeigt eine Aktion aus der "Antifa Praxis", über die in derselben Ausgabe von Interim berichtet wird. Eine "autonome Antifa" rühmt sich, dem Berliner "Verlag der Freunde" zum Jahreswechsel 1998/99 einen "Besuch" abgestattet zu haben. Der Verlag gibt in unregelmäßigen Abständen die Zeitschrift Sleipnir heraus, in der auch Texte von NS-Nostalgikern wie Garry Lauck und Christian Worch erscheinen. Außerdem vertreibt er Bücher und Tonträger. Bei dem Überfall erbeuteten die Täter nach eigenen Angaben eine Abonnentenliste, Adreß- und Telefonverzeichnisse und die umfangreiche Verlagskorrespondenz. "Das gefundene Material übetrifft alle unsere vorherigen Erwartungen. Es wird noch eine Weile dauern, bis wir alles ausgewertet und den zuständigen Stellen übermittelt haben", drohen die Verfasser. "Wir denken, es gibt ein paar Leute, die sich schon mal graue Haare wachsen lassen sollten."


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen