© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


Theater: Uraufführung "Not am Mann" von Daniel Call in Esslingen
Klamotte in Hau-drauf-Manier
Gerd Sauer

Alles ist Boulevard. Anders läßt sich der Erfolg von Daniel Call im deutschen Theater nicht erklären. Die Historie muß verlacht werden, sie hat lächerlich zu sein. Dafür reicht nicht einmal die Farce. Es braucht den ausladend humorlosen Kalauer. Zwar wird Call vom deutschen Feuilleton nicht eben pfleglich behandelt, aber das hindert die Dramaturgen an immer kleiner werdenden Bühnen nicht, den Vielschreiber weiterhin einzusetzen. Dabei versteht er durchaus, sinnreich zu formulieren, meistert Wortspiele wie wenige der jungen Dramatiker. Aber warum klappt es auch dieses Mal nicht? Erwin Rommel bietet doch alles, was für deutsche Geschichte in diesem Jahrhundert steht: Den Verfall des eigenen patriotischen Ideals im Massenelend der Diktatur, den vergeblichen Helden, der in einer grausamen Komödie doch nur Statist sein sollte.

Call, der von Hamburg bis Dortmund schon uraufgeführt wurde und sich als deutscher Dramatiker par excellence fühlt, will eine deutsche Geschichts-Trilogie präsentieren. Angefangen mit Karl May (vergangenes Jahr in Dortmund), jetzt Rommel und irgendwann in Bonn Adenauer. Aber solche Geschichte läßt sich nicht ohne Umschweife erzählen, da braucht’s die Hau-drauf-Manier des schenkelklopfenden Lachtheaters. Zwei Filmteams drehen in der nordafrikanischen Wüste. Das eine ist aus London, das andere aus Berlin bestellt. Irgendwann treffen sie zusammen, dazu kommen einige aufgekratzte Statistinnen aus Deutschland, die sich dem englischen Film andienen, noch eine Diva (ach Gott, Marlene) und schließlich taucht auch noch Rommel samt Adjutanten aus der Kulisse auf. Die deutsche Filmregisseurin, ein Riefenstahl-Verschnitt, hört auf den Namen Syberberg, und hierin liegt ziemlich deutlich die Crux bei Call: alles, was in einem Zusammenhang auch nur irgendwie verwertbar erscheint, muß genannt werden, um noch die kleinste Witzelei auszukosten. Und da der Filmemacher Hans-Jürgen Syberberg einigen Kritikern allzu reaktionär erscheint, darf er denn als Verfechter eines deutschen Mythos ebenfalls untergebracht werden.

Die Riesen-Klamotte, die sich da anbahnt, wird im Durcheinander der Figuren in Grund und Boden geschlagen. Rommel blökt einen Monolog der hohen Gesinnung, der tapfere Held grämt sich über die grausige Chargen-Ansammlung rund um Hitler. Und Marlenchen (als einzige herausragend: Andrea Hörnke-Trieß) darf sich schlußendlich an ihn heranmachen. Da haben wir endlich die Harmonie der allseitigen Fröhlichkeit, die Call so herbeisehnt. Wenn Ansätze im Monolog vorhanden sind, die tragikomische Situation deutlicher zu machen, dann gehen sie bald im Gekreische und Gezapple der Figuren unter. Im Publikum, sofern es nicht zur Pause abwandert, herrscht Bockbierstimmung, als würde noch mal der heilige Millowitsch mit "Tante Jutta aus Kalkutta" gastieren. Da wird auf die Schenkel geklopft, wenn die blondierten Statistinnen ihr Hinterteil zeigen, amüsiert man sich, wenn Rommel über Blähungen philosophiert. Ob die Schauspieler gut sind, läßt sich kaum nachweisen. Die Regisseurin Marion Poppenborg läßt durchbrüllen. Kein Stillstand darf herrschen, denn dann würde mancher, der das Geblödel nicht ertragen kann, ohnehin gleich einschlafen. In der Wüstenlandschaft mit colorfreudigem Hintergrund (Bühne: Christoph Rasche) wird das weite Land zur witzlosen Ödnis.

Wenn Daniel Call so weitermacht, wird man ihn bald noch weniger ernst nehmen, als sich der selbstbewußte Schriftsteller das wünscht. Diese Boulevard-Tragödie, wie er sie nennt, muß mit Karl Dall und Konsorten auf die Bretter gestemmt werden. Vielleicht stimmt’s dann wieder.


 
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