© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


CD: Klassik
Unverfälscht
Julia Poser

Auch heute noch steht der 1724 im Londoner Haymarket Theater uraufgeführte "Giulio Cesare" im internationalen Opernrepertoire an erster Stelle aller Opern des in Halle geborenen Komponisten Georg Friedrich Händel (1685–1759). Das wundert nicht, denn die Liebesaffäre zwischen dem später ermordeten römischen Feldherrn, Schriftsteller und Staatsmann Julius Cäsar und der ägyptischen Königin Cleopatra ist jedermann bestens bekannt. Auch das Libretto folgt ziemlich korrekt der Historie und vermeidet die in Barock-Opern sonst übliche wirre Handlung. Außerdem zeichnet sich "Giulio Cesare" durch ihren überragenden musikalischen Einfallsreichtum aus und ist wohl eine der am aufwendigsten und schönsten instrumentierten Opern.

Um so erstaunlicher ist es, daß diese beliebteste Händel-Oper unserer Tage bisher nur in zwei gekürzten und, offen gesagt, indiskutablen Aufnahmen existierte. Erfreulicherweise jedoch hat unlängst Harmonia Mundi France in Co-Produktion mit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) eine perfekte Einspielung auf CD herausgebracht.

Der ehemalige Countertenor und hervorragende Händel-Kenner René Jacobs dirigiert das glänzend disponierte Orchester Concerto Köln mit fein differenzierter Dynamik und nuancenreicher Interpretation. Zugleich gelingt es ihm, den jeweiligen Charakter der fünf Hauptpersonen zu entwickeln und die hochkarätige Sängerschar zum Gesamtkunstwerk im Sinne Georg Friedrich Händels zu führen.

Jennifer Larmore in der Titelrolle überzeugt mit ihrem apart timbrierten Mezzo. Durch ihre gestalterische Fähigkeit kann sie den mutigen Eroberer, der Cleopatras Spiel durchschaut, ebensogut ausdrücken wie den Tiefbetroffenen am Grab des ermordeten Pompejus: "Alma del gran Pompeo" (Seele des großen Pompejus). Mit geradezu männlichem Ton zeigt Jennifer Larmore in "Va tactico e nascosto" (Still schleicht er und verborgen giert nach seiner Beute) Cäsars Überlegenheit dem ränkevollen Ptolemeus gegenüber – eine herrliche, von Solohorn begleitete Arie.

Barbara Schlick, eine versierte Händel-Sängerin, zieht als Cleopatra alle Register ihres makellosen Soprans. In acht unterschiedlichen Arien lockt, verführt – auch unter Tränen – und triumphiert die strahlend sinnliche Stimme: "V’ adoro, pupille" (Ich liebe euch, ihr Augen der Liebe).

Cäsars Gegenspieler, der bösartige ägyptische König Tolomeo, wird vom Countertenor Derek Lee Ragin gesungen, der ein wahres vokales Feuerwerk an technischer Perfektion und Interpretationskunst bietet.

Bernada Finks warmer Alt gibt der trauernden Cornelia, der Witwe des Pompejus, tragische Züge, während Marianne Röhrholm als ihr ungestürmer Sohn Sesto auch stimmlich einen guten Kontrast bildet. Stilsicher auch die Interpreten der kleineren Partien.

Bereits zu Händels Zeiten war die Oper um Cäsar und Cleopatra ein sensationeller Erfolg mit insgesamt 38 Aufführungen – eine hohe Zahl für das stets Neues verlangende Londoner Publikum. Schon über 200 unterschiedliche Inszenierungen hat "Giulio Cesare" seitdem weltweit ebenso erlebt wie überlebt: gekürzt, verändert, modern aufgepeppt und mit Dinosauriern garniert wie in München. Den Hörern dieser Aufnahme ist nun ein reiner unverfälschter Genuß garantiert. (HMC 901385-87, 4 CD, vierspr. Libretto).


 
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