© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis
Ein lustloses Plagiat
Mina Buts

Die Helfer und Helfershelfer des Dritten Reiches erleben im Moment eine ungeahnte Konjunktur. Stellte Guido Knopp in seinen Fernsehserien und Büchern ausschließlich Mannen des Führers vor, so sollen nun offenbar auch die Frauen des Nationalsozialismus einmal an der Reihe sein. Anna Maria Sigmund hat sich ihrer angenommen und porträtierte in ihrem Buch "Die Frauen der Nazis" Carin Göring, Emmy Göring, Magda Goebbels, Leni Riefenstahl, Gertrud Scholtz-Klink, Geli Raubal, Eva Braun und Henriette von Schirach.

Die schwedische Adlige Carin, die sich erst scheiden lassen mußte, um Hermann Göring heiraten zu können, und damit zeitweise auch das Sorgerecht für ihren Sohn verlor, war eine glühende Anhängerin des Nationalsozialismus, verstarb aber bereits 1931. Görings zweite Frau, Emmy Sonnemann, avancierte als Schauspielerin in Weimar, bevor sie 1935 (erneut) heiratete. Sie interessierte sich nicht für Politik, genoß aber das Leben an der Seite ihres Mannes. Magda Quandt entschied sich bewußt für den Nationalsozialismus, lernte dann Joseph Goebbels kennen und ließ sich für ihn von ihrem Mann scheiden, der sie und den gemeinsamen Sohn finanziell großzügig austattete. Auch Leni Riefenstahl, die Star-Filmerin des Dritten Reiches, und die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink erlagen der Faszination des Nationalsozialismus und ließen sich bereitwillig für das System einspannen.

Geli Raubal, Eva Braun und Henriette von Schirach gerieten eher zufällig in Kontakt zu führenden Nationalsozialisten: Geli Raubal war Hitlers Nichte, die er sehr verehrte, und setzte ihrem Leben 1931 ein Ende; Henriette von Schirach war die Tochter von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann und heiratete später den Reichsjugendführer Baldur von Schirach; Eva Braun war Lehrling im Hoffmannschen Atelier und wurde die Geliebte des Führers, mit dem sie 1945 in den Tod ging.

In ihrem Vorwort verspricht die Autorin, daß "erst die Distanz zu den Ereignissen, der gegenwärtige Stand der historischen Forschung zur Geschichte des Dritten Reichs, die Öffnung verschlossener Archive sowie der Vergleich zahlreicher subjektiver und objektiver Quellen", die ausgewählten Biographien ermöglicht hätten. Doch einer wissenschaftlichen Überprüfung hält ihr Werk kaum stand. Zu allen porträtierten Frauen gibt es bereits eine Reihe von Literatur: Nahezu alle finden sich in Henriette von Schirachs Buch "Frauen um Hitler" gewürdigt, das 1983 erschien. Emmy Göring, Henriette von Schirach, Gertrud Scholtz-Klink und Leni Riefenstahl veröffentlichten nach dem Krieg ihre Memoiren. Über Hermann Göring, Josph Goebbels und Eva Braun gibt es eine nahezu unerschöpfliche Flut an Literatur. Und dieser bedient sich die Autorin rege.

Die Abschnitte über die beiden Ehefrauen Görings sind bis in kleinste Details aus der 1987 erschienenen Göring-Biographie von David Irving entnommen, die die Autorin in ihrem Anhang immerhin auch nennt. Die einzige Abweichung vom Irvingschen Original betrifft Carins Haare, die von kastanienbraun zu blond mutieren, um dem "nordischen Ideal" zu entsprechen.

Ausgesprochen viel Augenmerk legt die Autorin bei der Darstellung von Magda Goebbels auf die Feststellung, daß sowohl der fanatische Antisemit Joseph als auch Magda vor ihre Eheschließung jüdische Liaisons unterhalten hätten. Abgesehen davon, daß dies für den Werdegang der beiden ohne jeden Belang ist, verwechselt sie dabei Anka Stahlherm, Goebbels’ Studienfreundin, die er später zur Chefredakteurin der Modezeitschrift "Dame" ernennt, mit der ihr nachfolgenden Else Janke, die tatsächlich "Halbjüdin" war.

Von solchen Verwechslungen, leicht zu erkennenden Abschriften und entstellenden Verdrehungen strotzt das ganze Buch. Mal wird ein "1936 erschienenes ABC des Nationalismus" zitiert, das im Literaturverzeichnis als 1933 veröffentlichtes "ABC des Nationalsozialismus" aufgenommen ist, dann entpuppen sich Hinweise auf eingesehene Archivalien als Kopien aus längst verfügbarer Literatur. Zwar wird in einer Danksagung einer Reihe von Archivaren und Archiven gedankt, es bleiben aber erhebliche Zweifel, ob die Autorin diese auch von innen gesehen hat.

Die Energie, auch noch weitere Literatur zu weiteren Kapiteln umzuschreiben, hat Anna Maria Sigmund offenbar nicht mehr aufgebracht. Eine Reihe anderer "Frauen der Nazis", die bislang weniger im Rampenlicht standen, bleiben daher auch bei ihr im Abseits: die Baronin Lily von Abegg, die schon in den zwanziger Jahren eine Gönnerin Hitlers war und neben Geld und Kunstgegenständen auch ihr Haus der Partei überließ, Elsa Bruckmann und die Klavierfabrikantengattin Helene Bechstein, die Hitler in die gehobenen Gesellschaftskreise einführten (letztere finanzierte ihm auch ein Auto), schließlich die glühende Nationalsozialistin Gerda Bormann, die Frau Martin Bormanns, aber auch die Fliegerinnen Melitta Gräfin von Stauffenberg, Hanna Reitsch und Beate Uhse. Sie alle sind vollmundig aber nur im Vorwort versammelt. Eine auch nur annähernde Beschreibung der weiblichen Facette des Dritten Reiches kann so nicht gelingen, sollte sie überhaupt beabsichtigt gewesen sein.

 

Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis, Verlag Ueberreuter, Wien 1998, 240 Seiten, 39,80 Mark


 
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