© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


Deutsche Mutprobe
von Alexander von Stahl

Die ausländerfeindlichen Mord- und Untaten zu Beginn der neunziger Jahre, für die die Ortsnamen Hoyerswerda, Solingen und Mölln zu Synonymen geworden sind, haben in den Köpfen der Deutschen zwei Dinge bewirkt: Zum einen haben sie die Positionen der medien- und meinungsbeherrschenden Linken gefestigt, die sich nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus mit seinen desaströsen wirtschaftlichen und psychologischen Folgen allenthalben desorientiert auf dem Rückzug befand. Lichterketten glommen überall im Lande auf und signalisierten den neuen/alten Feind, der eine Fortschreibung der liebgewonnenen eigenen Ideale ermöglichte. Hatten nicht die Nationalsozialisten Polen, Juden und Zigeuner ermordet? War nicht der Faschismus nach Dimitroff die Vorhut des Kapitalismus, der die Reichen immer reicher werden ließ und der zudem auch noch aus Gründen der Gewinnmaximierung die Umwelt zerstörte? Der durch seine Gene erblich belastete Deutsche zeigte seine böse Fratze. Betroffenheit paarte sich mit Selbsthaß. "Wehret den Anfängen" schallte und schallt es durch das Land – und Goldhagen spielte die Begleitmusik dazu. Daß es sich bei diesen Verbrechen um Einzelfälle handelte, die nicht von organisierten Banden von Extremisten begangen wurden, beziehungsweise daß Spannungen zwischen ethnischen und gesellschaftlichen Gruppen fast überall in der Welt auch Gewaltakte auslösen können, das wurde nicht zur Kenntnis genommen. Zum anderen hat diese medienpolitische Grundhaltung dazu geführt, daß über Probleme, die die massive Einwanderung von Angehörigen aus fremden Kulturen – meist aus der unteren Mittelschicht – betreffen, nicht kritisch nachgedacht werden darf, will man nicht von den Gutmenschen jedweder Couleur als Ausländerfeind und damit als Neonazi entlarvt werden.

Die behauptete Ausländerfeindlichkeit läßt sich schon durch die Tatsache eindrucksvoll widerlegen, daß Deutschland in den Jahren von 1990 bis 1997 nach den Angaben des Bundesinnenministeriums mehr als die Hälfte aller nach Westeuropa (also über die EU hinaus) einströmenden Asylbewerber aufgenommen hat und mindestens genauso viele Asylbewerber und Flüchtlinge in diesen Jahren aufgenommen hat wie Australien, Kanada und die USA zusammen. Der Ausländeranteil stieg in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren von 1977 bis 1997 von 6,4 auf 8,9 Prozent, wobei die neuen Bundesländer mit einem Anteil von nur jeweils zwei Prozent (Ausnahme Brandenburg – ca. 2,5 Prozent) kaum ins Gewicht fallen. Deutschland hat damit nach der Schweiz (18 Prozent) den höchsten Ausländeranteil in Europa, wenn die höheren Zahlen in Belgien (neun Prozent) und Luxemburg (32 Prozent) unberücksichtigt bleiben, die auf die zeitweilige Anwesenheit gutverdienender Eurobürokraten und von Bank- und Versicherungsangestellten zurückzuführen sind.

Auch Jahre nach dem Anwerbestopp für Gastarbeiter von 1972 beruhte die Ausländerpolitik der Bundesregierung auf dem rotierenden System, das heißt, man ging davon aus, daß die in Deutschland arbeitenden Ausländer nach einer Reihe von Jahren in ihre Heimatländer Italien, Jugoslawien, Portugal oder die Türkei zurückkehren würden. Nachdem diese Fehleinschätzung spätestens zu Beginn der achtziger Jahre offensichtlich geworden war, begann die Phase der Integrationspolitik, an deren Ende wir nach meiner Überzeugung jetzt stehen, weil sie an der Quantität und an der kulturellen Verschiedenheit der eingewanderten Population gescheitert ist. Ich meine damit nicht die hier lebenden Westeuropäer, die demselben Kulturkreis angehören, der sich nach Samuel P. Huntington ("The Clash of Civilizations") durch im Grunde gemeinsame Traditionen auszeichnet:

l die Rezeption des "klassischen Erbes", der griechischen Philosophie, des römischen Rechts, der lateinischen Sprache und des Christentums;

l den Katholizismus und den Protestantismus in ihrer Dualität;

l die romanischen und germanischen Sprachen;

l die Trennung von weltlicher und geistlicher Macht;

l die Rechtsstaatlichkeit (rule of law);

l den gesellschaftlichen Pluralismus;

l das politische Handeln durch Repräsentativorgane und den

l Individualismus, der in der übrigen Welt außerhalb der westlichen Hemisphäre bedeutungslos ist. Ich meine vor allen Dingen diejenigen, die aus der Welt des Islams kommen und denen diese Wertvorstellungen im allgemeinen fremd sind. Die Wertung, ob die Integration dieser Ausländergruppen gelungen oder gescheitert ist, läßt sich an zwei Faktoren messen:

l an den Kriminalitätsstatistiken – sie geben einen Einblick in die Akzeptanz der gesellschaftlichen Normen des Gastlandes;

l an den Sozialstatistiken – sie sind Ausdruck der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Ausländer.

Während die Zahl der Deutschen, die in den Jahren von 1976 bis 1996 rechtskräftig verurteilt wurden, von 626.028 auf 556.375 sank, stieg die Zahl der ausländischen Verurteilten im gleichen Zeitraum von 73.331 auf 207.315. In diesem Zeitraum war die Anzahl der in Deutschland lebenden Ausländer von rund vier Millionen auf 7,3 Millionen gestiegen. Die Anzahl der Verurteilten hatte sich jedoch verdreifacht.

Während der Anteil der türkischen Bevölkerung an der ausländischen Bevölkerung fast konstant bei 28 Prozent liegt, haben die absoluten Zahlen der türkischen Verurteilten von 15.457 im gleichen Zeitraum auf 43.781 zugenommen. Ähnliche Zuwachsraten weisen nur noch Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien auf. Während die Verurteiltenstatistiken die Daten der Justiz zur Grundlage haben, stützen sich die Kriminalstatistiken auf die Daten der Polizei. Die Kriminalbelastungsziffer gibt an, wie viele Tatverdächtige (nicht gleichzusetzen mit Verurteilten) auf 100.000 Einwohner mit denselben Merkmalen (also zum Beispiel Alter, Nationalität) entfallen. (…)

Bedrückend an diesen Zahlen ist, daß die Ausländer unter 21 Jahren, die zum größten Teil hier aufgewachsen sein dürften, eine doppelt so hohe Kriminalitätsbelastung wie ihre deutschen Altersgenossen aufweisen. Über Frankfurt am Main, wohl die Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil von 28,5 Prozent, weiß die Bundeskriminalstatistik zu berichten: "In Frankfurt am Main waren über 3/5 der tatverdächtigen Jugendlichen (62,7 Prozent) und fast 3/4 der Heranwachsenden (71,2 Prozent) Nichtdeutsche. Frankfurt am Main zeigt auch unter den tatverdächtigen Kindern in den Großstädten den höchsten nichtdeutschen Anteil mit 58,1 Prozent vor Stuttgart mit 49 Prozent, München mit 46,7 Prozent, Köln mit 52,5 Prozent und Wiesbaden mit 40,3 Prozent." Bei einem Ausländeranteil im Jahre 1996 von 8,9 Prozent betrug der Anteil der Ausländer an den Tatverdächtigen 31,1 Prozent. Die polizeiliche Kriminalstatistik führt hierzu ergänzend aus: "Überdurchschnittlich sind nichtdeutsche Tatverdächtige in den alten Ländern mit Gesamtberlin jedoch auch bei gravierenden Gewaltdelikten wie Raub 41,0 Prozent, Vergewaltigung 38,1 Prozent sowie Mord und Totschlag 37,2 Prozent vertreten. Hier schlagen sich unter anderem die Unterschiede in der Alters- und Sozialstruktur sowie in den Wohn- und Lebensverhältnissen zwischen Deutschen und den sich hier aufhaltenden Nichtdeutschen nieder." Ein Blick in die Berliner Kriminalstatistik von 1997 weist aus, daß die Zahl der deutschen Tatverdächtigen von 1996 auf 1997 um 7,3 Prozent – schon ein erschreckend hoher Zuwachs –, die Zahl der türkischen Tatverdächtigen jedoch um 17 Prozent und die der libanesischen Tatverdächtigen um 31,9 Prozent gestiegen ist. Im April 1998 waren von 471 Insassen im Jugendbereich des Strafvollzuges der Berliner Justiz 226 Ausländer bei einem Bevölkerungsanteil von unter 16 Prozent.

Diese Zahlen, die einen überproportional hohen Anteil der Ausländer an den Normverletzungen dokumentieren (insbesondere im Jugendbereich, und dort mit erheblichen Zuwachsraten), zeigen, daß wir von einer Integration weit entfernt sind.

Die ausländischen Jugendlichen und Heranwachsenden sind nicht schlechter als ihre deutschen Altersgenossen. Als Wanderer zwischen den Kulturen mit schlechteren Arbeitsplatz- und Ausbildungschancen neigen sie in viel größerem Maße dazu, die Gesetze des Gastlandes nicht zu respektieren, sich in ihre Minderheitenidentität zurückzuziehen und sich Banden und Gangs Gleichgesinnter anzuschließen, um dort Halt und Anerkennung zu finden. Ein Blick in die Sozialstatistiken zeigt ein ähnlich bedrückendes Bild. Während sich die Zahl der deutschen Sozialhilfeempfänger (im alten Bundesgebiet) von 1980 bis zum Jahre 1996 gut verdoppelt hat (1980 – 840.733; 1996 – 1785044), hat sich die Zahl der ausländischen Unterstützungsempfänger insgesamt mehr als verdreizehnfacht (1980 – 81.413; 1996 – 618.418 Sozialhilfeempfänger plus 452.539 Asylbewerber). Die Kosten allein dieser Unterstützung betrugen für 1996 17,2 Milliarden DM. Hierin sind nicht mit eingerechnet die anderen sozialen Wohltaten wie Kindergeld, Wohngeld etc. oder der Umstand, daß über eine Million ausländischer Kinder kostenlos unsere Schulen besuchen. Die Zahl der arbeitslosen Ausländer ist doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung (Gesamtbevölkerung 10,1 Prozent, Ausländer 18,9 Prozent, Türken 24,4 Prozent, Italiener 20,6 Prozent) und stellt damit eine überproportionale Belastung der Arbeitslosenversicherung dar. Die Eingliederungsprogramme und Berufsförderungsprogramme für Ausländer von Bund, Ländern und Kommunen werden ebenfalls mit einigen hundert Millionen Mark zu Buche schlagen. Selbst wenn Steuern und Beiträge der Ausländer mit diesen Kosten saldiert würden – eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist mir nicht bekannt und wird von der Bundesregierung auch wohlweislich nicht vorgelegt –, käme immer noch eine Summe heraus, die dem Betrag entspräche, der eine akzeptable Steuerreform ermöglichen würde.

Darüber hinaus gilt folgendes: Die Wertvorstellungen des Islams und des Westens sind nicht nur verschieden; in der fundamentalistischen Ausprägung des Islamismus stellen sie eine latente Gefahr für die innere Sicherheit dar, die sich jederzeit in eine akute Gefahr verwandeln kann. Es sei als Beispiel nur an die Ermordung von vier Exilpolitikern in Berlin im Jahre 1993 durch iranische Stellen erinnert.

Die Grundaussagen des Islamismus (nicht der islamischen Religion) sind:

l Der Islam ist die alleinige Wahrheit.

l Er kann nur durch den auf Koran und Scharia gegründeten islamischen Gottesstaat verwirklicht werden.

l Das bedingt die Verpflichtung zum Kampf gegen alle Ungläubigen, die einen islamischen Gottesstaat nicht anstreben.

l Notwendig ist daher die politische und soziale Revolution im Wege des "Dschihad", die sowohl gewaltsam als auch daneben auf politischem Wege erfolgen kann.

l Alle der Ursprungsfassung von Koran und Scharia entgegenstehenden Wertvorstellungen sind abzulehnen und zu bekämpfen –

l und damit auch die Demokratie.

Es gelten die geoffenbarten Gesetze Allahs. Die Parlamente sind Teufelswerk, weil sie mit ihren Gesetzen in die Gesetze Gottes eingreifen. Mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung und Pluralismus hat dies nichts zu tun. Zudem ist der Islamismus in hohem Maße antisemitisch, eine Haltung, die durch einen militanten Antizionismus kaschiert wird. Der Islamismus hat gesiegt im Iran, im Sudan und in Afghanistan; an der ganzen Südflanke Europas von der Türkei bis Algerien tobt ein heftiger Kampf. Unter den 7,3 Millionen Ausländern in Deutschland leben rund 2,3 Millionen ausländische Muslime, von diesen gehören nach Auffassung der Verfassungsschutzämter rund 30.000 extremistischen Organisationen an. Bedenkt man jedoch, daß die Verfassungsschutzämter bei 80 Millionen Einwohnern das gesamte rechts- und linksextremistische Potential in der Bundesrepublik auf ca. 80.000 einschätzen und die Zahl der gewaltbereiten Extremisten von links und rechts mit 14.000 beziffern, erhält die Zahl von 30.000 fundamentalistischen Extremisten ein ganz anderes Gewicht.

Die größte dieser Gruppen ist die islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V., die das Sammelbecken islamistischer Auslandstürken in Europa darstellt. Sie hat ihren Sitz in Köln und soll in Deutschland über 26.000 Mitglieder mit mehr als 500 Zweigstellen haben. Ihr Ziel ist darauf gerichtet, die laizistische Staatsordnung in der Türkei abzuschaffen. Daneben strebt sie die Islamisierung der ganzen Welt an. Sie leistet Basisarbeit unter den in Deutschland lebenden Muslimen, um sie zur Wahrung der islamischen Identität zu gewinnen. Nichtislamische Schulen und Kindergärten lehnt sie als Verrat am Islam ab. Ihre Mitglieder zeichnen sich durch ein hohes Maß an Intoleranz aus; aber auch durch Gewaltbereitschaft gegen Türken, die sich ihren Vorstellungen nicht beugen. Kontakte zu Deutschen und deren (Schweinefleisch-Drogen-Sex-)Kultur sollen möglichst unterbleiben. Der Einfluß der Anhänger von Milli Görüs auf junge Türken wächst beständig, wie die Verfassungsschutzämter feststellen. Das Problem der Zuwanderung aus Regionen außerhalb des westlichen Kulturkreises wird weiter wachsen. Nur eine Politik, die diese Gefahren erkennt, wird sie auch eindämmen können.

 

Alexander von Stahl, Jahrgang 1938, Rechtsanwalt und FDP-Politiker, war von 1990 bis 1993 Generalbundesanwalt. Bei dem Text handelt es sich um einen Nachdruck aus dem von Klaus J. Groth und Joachim Schäfer herausgegebenen Buch "Eingetrichtert" (Universitas Verlag, München 1999).


 
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