© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Verachteter Dienst
von Georg Bensch

In Deutschland verweigern immer mehr Wehrpflichtige den Dienst bei der Bundeswehr. Die Zahl der Wehrdienstverweigerer hat 1998 mit 171.000 einen neuen Höchststand erreicht. Dagegen wurden 137.828 Zivildienstleistende registriert. Noch nie haben sich so viele junge Männer gegen den Wehrdienst und für den Zivildienst entschieden. Aber es steigt auch die Zahl der Wehrpflichtigen, die sowohl den Wehrdienst als auch den Wehrersatzdienst ablehnen. So waren es im vergangenen Jahr fast 18 Prozent aller Wehrtauglichen, die beide Einberufungsformen ablehnten. Zahlen, die aufhorchen lassen und verdeutlichen, das zunehmend das Interesse der deutschen Jugend an Wehr- und Ersatzdienst schwindet.

Doch während die Zustimmung unter Jugendlichen zur Bundeswehr und Wehrpflicht sinkt, ist der Anteil derer, die dem Zivildienst den höheren Wert zuschreiben, enorm gestiegen. Er steigerte sich in den alten Bundesländern von 32 (1997) auf 51 Prozent (1998) und in den neuen Ländern sogar von 33 (1997) auf 54 Prozent (1998). Hingegen lehnten im gleichen Zeitraum etwa 12 Prozent aller Wehrtauglichen in den alten Bundesländern und 6 Prozent in den neuen Ländern jede Form von Wehr- und Ersatzdienst strikt ab. Und interessant ist, daß es in den vergangenen zwei Jahren nur nahezu 14 Prozent aller Wehrdienstverweigerer waren, die aus tatsächlich religiösen Gründen den Wehrdienst ablehnten, sich aber für den Zivildienst zur Verfügung stellten. Dagegen lehnten 31 Prozent den Dienst bei der Bundeswehr aus gesundheitlichen, beruflichen oder familiären Gründen ab, und 51 Prozent wollten aus rein politischer Überzeugung vom Wehrdienst befreit werden.

Es steht außer Frage: Die Zivildienstleistenden erfüllen bei den deutschen Sozialdiensten eine wichtige unterstützende Funktion. Insbesondere die Freien Wohlfahrtverbände profitieren von den anerkannten Kriegsdienstverweigerern, die anstelle des Wehrdienstes vorrangig im sozialen Bereich einen dem Allgemeinwohl dienenden Ersatzdienst leisten. Sachkenner schätzen, daß allein Kirchen, Wohlfahrtverbände und Pflegeeinrichtungen durch den Einsatz von "Zivis" jährlich mindestens 4,5 Milliarden Mark einsparen. Würden die Zivildienstleistenden ausbleiben, wäre das für die Sozialdienste der finanzielle Kollaps.

Es ist erschreckend, wenn zunehmend Wehrdienstleistende öffentlich als "Mörder" angeprangert und Zivildienstleistende als "Sklaven einer korrupten kapitalistischen Gesellschaft" diffamiert werden. Bundeswehr und die Zivi-Interessenverbände sollten bei den Wehrpflichtigen für mehr Aufklärung sorgen und das Agitationsfeld nicht den Gegnern der Bundeswehr überlassen.


 
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