© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Tierschutz II: Kinder werden durch Walfleischverzehr geschädigt
Feuchtfröhliche Festessen
Ulrich Karlowski

Was den Wikingern einst recht und billig war, bringt bei einigen ihrer Nachfahren heute die Familienplanung durcheinander. Die Bewohner der im Nordatlantik gelegenen Faröer-Inseln laben sich, wie ihre Vorfahren, gerne am Fleisch von Grindwalen und Delphinen. Neben den Norwegern sind sie die einzigen Europäer, die regelmäßig Fleisch von Meeressäugern konsumieren. Sie täten gut daran, dies sein zu lassen. Grindwalfleisch ist eigentlich Sondermüll, vollgestopft mit Umweltgiften wie Quecksilber, PCB (polychlorierte Biphenyle), Kadmium und Pestiziden wie Dieldrin, die sich bei den am Ende der Nahrungskette stehenden Zahnwalen im Körper anreichern.

Fast ein Jahrzehnt intensive Forschung hat ergeben, daß die rund 45.000 Bewohner der Schafinseln auffallend hohe Konzentrationen der bei Grindwalen nachgewiesenen toxischen Stoffe aufweisen. Riskant ist dies besonders für Kinder, wie eine von Wissenschaftlern der Universität Odense durchgeführte Langzeitstudie zeigte. Die von Philippe Grandjean angeführte Forschergruppe nahm 1.022 werdende Mütter genauer unter die Lupe und untersuchte über Haarprobenanalysen deren Quecksilberbelastung. An 917 der geborenen Kinder wurden dann im Alter von sieben Jahren umfangreiche Verhaltensstudien durchgeführt. Die Wissenschaftler stellten bei ihnen Sprach-, Konzentrations- und Erinnerungsstörungen fest; typische Symptome einer Quecksilbervergiftung. Der Effekt war um so größer, je stärker die Mütter während der Schwangerschaft mit dem Umweltgift belastet waren.

Als Reaktion auf diese Testreihe erteilte die lokale Gesundheitsbehörde in diesem Jahr die Weisung, daß Frauen, die planen, Kinder zu bekommen, schon schwanger sind oder bereits stillen, kein Walfleisch mehr essen sollen. Erst wenn sie sich sicher sind, daß sie kein Kind mehr zur Welt bringen wollen, könnten sie die Mahlzeit der Wikinger in Maßen wieder zu sich nehmen. Sämtliche Erwachsene wurden darüber hinaus angewiesen, den Walfleischkonsum auf zweimal im Monat zu reduzieren.

Die Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) meint, daß die Empfehlungen der Behörden unverantwortlich und nicht ausreichend sind. Mark Simmonds, Meeresbiologe der WDCS, kritisierte: "Eine möglicherweise ganze Generation Kinder, deren Hirn in der Entwicklung geschädigt ist, wurde geboren. Wieviele Tragödien muß es noch geben, um die Regierung der Faröer-Inseln dazu zu bringen, den Konsum von Walfleisch generell zu untersagen?"

Doch die bei feuchtfröhlichen Volksfesten zelebrierte Tradition der Waljagd geht auf den 18 kleinen Inseln munter weiter. In diesem Jahr starben bereits 562 Grindwale und 107 Weißseitendelphine. Die Tiere werden mit Booten in enge Buchten getrieben, dort rammen die Jäger ihnen einen Eisenhaken (Gaff) ins Blasloch, um sie orientierungslos zu machen, dann werden Rückgrat und Kopfarterien mit Messern durchschnitten. Tierschützer laufen seit Jahren vergeblich Sturm gegen diese martialische Jagdmethode.

Die beim Faringernachwuchs festgestellten Schädigungen dürfen sich nach Ansicht der Odenser Wissenschaftler auch bei anderen Wal- und Delphinfleischkonsumenten wie Norwegern, Japanern oder Inuitvölkern einstellen. Dies hindert aber weder norwegische noch japanische Walfänger daran, den Meeressäugern weiter nachzustellen. Erst vor wenigen Wochen liefen vier japanische Fabrikschiffe und ein Leitschiff aus, um im antarktischen Walschutzgebiet Minkewale zu jagen. Bei dem offiziell als "wissenschaftlich notwendig" bezeichneten Fangzug dürften nach Ansicht von Umweltschützern etwa 400 Minkewale sterben. Bei ihrer Rückkehr im Frühjahr 1999 werden die Fangschiffe dann etwa 2.000 Tonnen mit Umweltgiften belastetes Fleisch zu einem Marktwert von mehr als fünfzig Millionen US-Dollar an Bord haben.


 
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