© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Pankraz,
Jürgen Schrempp und das Göring-Cabriolet

Von den deutschenGroßunternehmen, die in der letzten Zeit so machtvoll nach Amerika ausgriffen, ist bisher nur Daimler-Benz von Holocaust-Sammelklagen und inquisitorischen Vergangenheits-"Aufarbeitungen" verschont geblieben. Während die arme Deutsche Bank sich im Staube wälzt vor Betroffenheit über die "eigene Verstrickung" und ihren einstigen Übervater Hermann Josef Abs, den berühmten Adenauer-Freund, posthum eifrig ans Schienbein tritt, während sich auch die Bertelsmänner vor Betroffenheit kaum fassen können, daß in ihrem Verlag in den vierziger Jahren sogenannte Tornisterlektüre gedruckt wurden, tummelt sich Daimler puppenlustig auf der Hochzeit mit Chrysler und tut so, als habe man in Stuttgart nie ein Wässerchen trüben können. Wieviele Millionen mögen da geflossen sein, um diverse Rechtsanwälte und "Zeithistoriker" ruhig zu stellen?

Wenn es irgendein Unternehmen gibt, das in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts "verstrickt" war, dann ist es doch Daimler-Benz! Das ging schon in den zwanziger Jahren los, als der spätere Generaldirektor Wilhelm Kissel und der spätere Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Emil von Stauß eifrig und erfolgreich die Fusion von Daimler und Benz betrieben, um die Firmen vor dem Zugriff der jüdischen Finanzspekulanten Schapiro und Castiglioni in Sicherheit zu bringen. Sie wurden dafür im Dritten Reich hochgeehrt.

Zwangsarbeiter fertigten während des Krieges am laufenden Band Militärfahrzeuge wie den legendären 170 VK, und deutsche Spezialisten werkelten in Sonderabteilungen per Handarbeit an den Luxus- und Panzerkarossen für Hitler und die Parteiprominenz. Pankraz hat einmal in Lyon einen solchen Schlitten, der dort im Museum wie ein Heiligtum gehütet wird (Göring soll damit gefahren sein), ausführlich besichtigen können – ein merkwürdiges, für Autofreunde zweifellos erhebendes Erlebnis.

Es war ein riesiges, schwarz funkelndes "Cabriolet F, 770, der Baureihe W 150 II" (so die offizielle Firmenbezeichnung), ein Ungetüm von sechs Meter Länge, fünfeinhalb Tonnen, vierhundert PS Motorleistung und luxuriösester Innenausstattung. Die Karosserie bestand aus achtzehn Millimeter starkem Panzerstahl, die Fenster aus vierzig Millimeter Panzerglas, und auch die sehr schick an der Seite montierten Ersatzräder dienten als Panzerschild. Der Tank faßte über dreihundert Liter, die Reifen bestanden aus zwanzig voneinander unabhängigen Kammern und konnten faktisch nicht zerschossen werden. Über zweihundert Kilometer konnte man mit diesem Mercedes erreichen, er hatte eine phänomenale Straßenlage und war höchstens von oben her verwundbar.

Nur die Partei- und Regierungsgrößen in Berlin durften solche Autos fahren, sie wurden ausschließlich für sie produziert, Generäle mußten sich mit Horch oder BMW 335 begnügen. Hitler machte sich ein Vergnügen daraus, hin und wieder einen gepanzerten "770er" an befreundete Staatsmänner zu verschenken; Quisling in Norwegen bekam einen, Marschall Mannerheim, Franco, Salazar, aber auch Josef Stalin. Wenn es je ein Symbol der nationalsozialistischen Herrschaft in Europa gegeben hat, so waren es die Superfahrzeuge aus Stuttgart-Untertürkheim.

Doch wie gesagt, der Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp denkt nicht daran, im Stile Bertelsmanns oder der Deutschen Bank Betroffenheit zu markieren. Statt dessen gab er kürzlich dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes ein Interview, das vor Selbstbewußtsein geradezu strotzte.

"Wir", sagte er dort (und meinte damit sich selbst und "unsere amerikanischen Geschäftsfreunde"), "wir werden zu einer transatlantischen Union kommen, und dann sollten wir es weiterführen und schließlich eine Weltunion bilden". Die einzelnen Staaten werden da gar nicht mehr gefragt, geschweige denn die betroffenen Völker und Religionsgemeinschaften. Man hat ja Produktionserfahrung mit entsprechenden Panzerlimousinen, die einen schon sicher durch eventuell auftretende Turbulenzen hindurchkutschieren werden.

Zweifellos hat diese Schremppsche Pausbäckigkeit etwas Erfrischendes. Alle haben die Nase von dem ewigen Vergangenheitsbewältigungsgedröhn mittlerweile derart voll, daß sie richtig dankbar sind, wenn einmal ein verantwortlicher Supermanager so redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sich nicht dauernd in Richtung Zeitgeist verbeugt und offenbar auch keine Angst vor irgendwelchem Boykott hat, der ihm und seinem Unternehmen bei mangelndem Wohlverhalten drohen könnte. Die vielbeschworenen Boykottdrohungen –– sie sind doch längst nur noch bloße Einbildung in den Köpfen deutscher Manager! Wer kann denn einem Unternehmen wie Daimler-Chrysler durch Boykott noch dauerhaft schaden, ohne sich letztlich damit selbst zu schaden?

Andererseits ist die Weltsicht, wie sie Schrempp in seinem Forbes-Interview preisgegeben hat, frustrierend und mitleiderregend. Eine "Weltunion" von Gnaden und unter der Fuchtel weltweit operierender Industrie- und Finanzkonzerne, einerlei ob sie nun amerikanische, deutsche oder deutsch-amerikanische Wurzeln haben, entspricht nicht den Interessen der Menschen, weder denen der einzelnen Individuen noch denen der Völker, und deshalb wird es sie auch nicht geben. Es ist eine irre Utopie, die Utopie von der alles einebnenden Allmacht des Geldes.

Schrempp und seinesgleichen sollten sich nicht täuschen. Zur Zeit sehen sie voller Überheblichkeit, wie die Staaten sie um Investitionen anflehen und wie sie, die Manager, in Steuerfragen mit ihnen Katz und Maus spielen können. Aber wenn es eines Tages tatsächlich hart auf hart käme, wenn es tatsächlich nur noch um die Alternative "Staat oder Wirtschaft" ginge, würde der Staat am Ende siegen. Ein düsteres Menetekel dazu liefern nicht zuletzt die dreißiger und vierziger Jahre, als eben auch Daimler-Benz Militärfahrzeuge und Panzerlimousinen liefern mußte.


 
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