© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


CD: Black Metal
Aus der Gruft
Ulli Baumgarten

Nur wenige Musikrichtungen werden in der Öffentlichkeit, recte: veröffentlichten Meinung, dermaßen angefeindet wie der Black Metal. Nicht nur, daß der Bezug zum Irrationalismus – und damit die Gegnerschaft zur "Moderne" – größer ist als in anderen Bereichen der konservativen Kulturavantgarde, sondern der Black Metal steht auch noch im Verdacht der Sympathienahme für den Neo-Paganismus, also das Neuheidentum, und den Okkultismus. Unbeachtet lassen solche Vorwürfe politischer Unkorrektheit allerdings, daß der Black Metal oftmals weltanschaulich toleranter ist als seine Kritiker, die sich im Besitz der Wahrheit und – daraus resultierend – der politischen Korrektheit wähnen.

Relativ neu in der Black-Metal-Szene ist die finnische Gruppe Tunrida, die mit ihrem Album "Hierarchy" debutiert und, das sei gleich vorweg gesagt, eine der besten Metal-Platten der letzten Jahre, wenn nicht sogar des letzten Jahrzehnts, veröffentlicht hat. Die fünfköpfige Gruppe (Gesang/Gitarre/Synthesizer/Bass/Schlagzeug) präsentiert ein Erstlingswerk, das nicht nur wie aus einem Guß klingt, sondern auch die typischen Schwächen vieler Bands dieses Genres zu vermeiden weiß. So reduziert sie ihre Musik nicht auf das übliche "Härter-schneller-brutaler"-Gitarrenspiel, sondern besitzt eine kompositorische Fähigkeit und ein Gefühl für Melodien, die geradezu verblüffen.

Natürlich gehört Tunrida immer noch zum Black Metal, die Musik ist hart und aggressiv, der Gesang ist bedrohlich und läßt Tote aus der Gruft hüpfen, aber wenn überhaupt eine Band dieses Genres für sich in Anspruch nehmen darf, innovativ zu sein und "schöne Musik" zu machen, dann ist es sicher Tunrida. Mit diesem Werk setzen sie einen Meilenstein in der Geschichte des Black Metal skandinavischer Herkunft; ihr Debutalbum dürfte anderen Bands als beispielhaft gelten. Tunrida hätte es verdient, in punkto Ruhm und kommerziellen Erfolg ganz nach oben zu kommen.

Ebenfalls aus dem Bereich des Black Metal kommt die deutsche Combo Nocti vagus. Die "nachts Umherschweifenden" (so die deutsche Übersetzung) sind zwar schon einige Jahre aktiv, unter dem Namen Nordwind veröffentlichten sie schon zwei Demo-Cassetten, aber mit einer CD wagen sie jetzt erstmals den Schritt in die Öffentlichkeit.

Ihre CD "Venture in sombre passion" tendiert eher in Richtung des gängigen Black Metal, das heißt sie setzt den Schwerpunkt auf Roheit und Aggresivität, was ihr dann aber auch hervorragend gelingt. Die stärkere Betonung der Gitarren wird unterstützt durch schwebende, atmosphärisch klingende Synthesizereinschübe und einen "Gesang-aus-der-Gruft", der unwillkürlich an das Jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten erinnert. Die ganze CD wirkt so düster und bedrohlich, daß man sich davor hüten sollte, sie im Dunkeln zu hören oder sie an den katholischen Pfadpfinderleiter von nebenan zu verleihen – beides dürfte den Suizid zur Folge haben.

Zu bemängeln ist lediglich, daß hin und wieder etwas mehr Mut zur Eigenständigkeit angebracht gewesen wäre, ansonsten aber sind Nocti vagus mit ihrem Debutalbum höher einzuschätzen als so manche bekannte und saturierte Black-Metal-Band aus dem anglo-amerikanischen und skandinavischen Bereich. Beide CDs sind zu beziehen bei Solistitium Records, Postfach 1210, 26802 Moormerland.


 
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