© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/99 19. Februar 1999


Politik geht vor Wirtschaft
von Matthias Bath

Die Offenheit der Diskussion auf der Forumseite dieser Zeitung belegt die gedankliche Vielfalt und geistige Stärke des Denkens. Aus Sicht einer Publikation, die außerhalb des politischen Tageskampfes von Parteien oder Bewegungen steht, mag man das begrüßen. Die Heterogenität der deutschen "Rechten" – um die Suche nach einem solchen Standort ging es in den Debattenbeiträgen –, die als geistige Vielfalt und Stärke einer Zeitung gut zu Gesicht steht, erweist sich unter dem Gesichtspunkt politischen Handlungswillens jedoch als schwerer Nachteil. Jeder Impuls auf der Rechten provoziert umgehend Gegenläufigkeit aus dem eigenen Lager, was letztlich zu gegenseitiger Lähmung führt.

Es gibt auf der Rechten offensichtlich verschiedene Denkrichtungen, die sich zwar alle als "rechts" verorten, miteinander aber so wenig zu tun haben, daß sie sich im Extremfall auch ausschließen. So war es im Grunde auch nicht verwunderlich, daß Angelika Willig, die sich doch von rechts schon verabschieden wollte, von einigen Lesern der JF als nunmehr erst rechts angekommen willkommen geheißen wurde. Von dieser Position aus mag man die aktuelle Entwicklung zu Deregulierung, Entnationalisierung, Globalisierung und Trustbildung begrüßen und jede Kritik hieran als marxistisch inspiriert ansehen. Nun ist aber nicht jeder, der etwas gegen Deregulierung sagt, gleich Kommunist und nicht jede Kritik an den Auswüchsen des heutigen Ökonomismus mithin links gefärbt. Die Existenz kontradiktorischer rechter Denkrichtungen gibt nämlich auch Anlaß zu Klarstellungen, die über eine bloße Ökonomismuskritik hinausgehen.

Zunächst ist der Unterschied zwischen nationalem und ökonomistischen Denken einerseits und dem heutigen "konservativen" Denken andererseits von eminenter Bedeutung. Etwas vereinfacht ist bekanntlich derjenige konservativ, der Bestehendes für gut befindet und deshalb erhalten will. So verstanden ist ein heutiger Konservativer, wer die Lebenswirklichkeit und den Zeitgeist der Jahre 1998/99 gut und erhaltenswert findet. Weder die rechten Ökonomisten noch das nationale Denken sind in diesem Sinne als konservativ anzusehen. Beide wollen mit unterschiedlicher Zielrichtung Veränderungen bewirken. Zurück bleibt der Konservative, dem in einer sich ständig wandelnden Welt nur bleibt, sich auf immer neue Verhältnisse als das Bestehende einzustellen und diese nach einer Phase der Sprachlosigkeit als gut und erhaltenswert zu charakterisieren. Der Konservative heutiger Tage wird die europäische Integration und die Abschaffung der nationalen Währungen gutheißen, weil sie ohnehin kommen. Er wird der multikulturellen Umgestaltung der deutschen Gesellschaft noch etwas hinhaltenden Widerstand entgegensetzen und sie dann als gegebene Realität akzeptieren. Er wird, so er die Macht hierzu hat, gegen Andersdenkende, die diese Entwicklungen nicht zu akzeptieren bereit sind, letztendlich martialische Bereitschaftspolizeieinheiten einsetzen, so wie seine geistigen Vorgänger 1848 das Militär gegen die nationalen und sozialen Bewegungen ihrer Zeit ins Feld schickten.

Von diesem Begriff des Konservatismus heben sich sowohl rechter Ökonomismus als auch nationales Denken ab. Die Ökonomisten nehmen die angesprochenen Entwicklungen nicht lediglich als unabänderlich hin, sondern wollen sie gezielt. Die Zuwanderung von Ausländern ist dabei durchaus gewolltes Mittel zur Absenkung "eines künstlich gehaltenen Tarifniveaus" und damit zur materiellen Verelendung des eigenen Volkes durch künstliche Erzeugung eines Überangebots an Arbeitskräften. Alle übrigen Folgen dieser Handlungsweise werden von den Ökonomisten billigend in Kauf genommen. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß schon der Anfang der Ausländerzuwanderung in den sechziger Jahren auf Wirtschaftskreise zurückging, die angesichts eines Mangels von deutschen Arbeitskräften eine weitere Verteuerung des Kostenfaktors Arbeit nicht mehr hinnehmen wollten.

Das Ziel ökonomistischen Denkens besteht letztlich in der Errichtung eines einheitlichen Weltwirtschaftssystems, in dem die Geschäftspolitik weniger weltweit agierender Monopolunternehmen die Geschicke der Menschheit bestimmt. Menschen werden in diesem System nur noch als Konsumenten, Arbeitskräfte, Steuerzahler oder Sozialfälle wahrgenommen werden. Im Interesse weltweiter Absatzmärkte dürfte es weltweit einheitliche technische und kulturelle Standards geben. Weltweite Verständigungssprache dürfte Englisch sein, dem sich die anderen Sprachen allmählich angleichen. Aufgrund der weltweiten Monopolbildung dürfte es zu einer Kapitalkonzentration in nur wenigen Händen kommen. Die ökonomistische Zukunftsgesellschaft dürfte zudem von krassen sozialen Unterschieden gekennzeichnet sein, weil mit zunehmender Rationalisierung und aufgrund weltweiter Firmenfusionen immer weniger Menschen zur Aufrechterhaltung einer "prosperierenden Weltwirtschaft" benötigt werden.

Die führenden Ökonomisten unserer Tage zählen sich allerdings nicht zur politischen "Rechten", sondern sehen sich in der politischen Mitte. Vielleicht unterliegen sie dabei aber einem Irrtum und stellen tatsächlich die Speerspitze einer neuen Rechtsaußen-Richtung dar?

Weder zeitgeistkonservativ noch ökonomistisch ist das schwerpunktmäßig auf der Rechten angesiedelte nationale Denken. Vom Konservativen unterscheidet den Nationalen, daß er die Verhältnisse der Jahre 1998/99 im wesentlichen nicht erhaltenswert findet, vom Ökonomisten daß er die eingeschlagene Richtung gegenwärtiger Veränderungen ablehnt. Ausgehend vom Volk als demokratischem Souverän und Träger nationaler Identität und in der Erkenntnis der Vielfalt der Völker will nationales Denken statt dessen eine Zukunft, in der Geschichte auch weiterhin von selbständigen Völkern gestaltet wird und nicht in den anonymen Vorstandsetagen internationaler Großkonzerne. Im Interesse einer nationalbestimmten Zukunft kann nationales Denken nur von den beiden Fragen ausgehen, was nützt den Interessen des eigenen Volkes und was dient der Vielfalt der Völker? Dabei wird man feststellen, daß die Antworten für die Patrioten vieler Länder, insbesondere in Europa, identisch sein werden. Ohne nationale Renaissance in Europa dürften die hiesigen Völker immer mehr zu bloßen Einwohnerschaften multiethnischer Zusammensetzung degenerieren, die letztlich ohne ethische Bindungen und ideelle Werte lediglich materialistischen Gegebenheiten folgen.

Angesichts der skizzierten Unterschiede plädiere ich anders als Götz Kubitschek, zu dem ich ansonsten aber keinen Widerspruch sehe, dafür, den herkömmlichen Begriff "rechts" künftig den Konservativen zu überlassen, und Nationales als "national" zu bezeichnen. Die Nationalen dienen dem ganzen Volk unabhängig von sozialen oder politischen Differenzierungen. Sie schließen nur diejenigen als Gegner aus, die sich der Nation bewußt versagen. Damit sind auch rechte oder neurechte Ökonomisten politische Gegner.

Gleichwohl bleibt zu überlegen, warum sich Ökonomisten und Nationale oftmals gleichermaßen als "Rechte" verstehen. Es gibt wohl doch einen gemeinsamen Überzeugungskern. Diesen sehe ich in der Ablehnung des modernen Egalitarismus unserer Tage. Aber schon bei der Frage, woraus dieser Egalitarismus besteht, gehen die Meinungen auseinander. Ökonomisten sehen vorrangig "sozialistische Gleichmacherei" oder "sozialdemokratische Umverteilungsmentalität" am Werk. Nationale sehen in erster Linie die enorme Gleichmacherei durch Entnationalisierung und Globalisierung mit dem Ziel der "one world".

Positiver Bezugspunkt für die antiegalitäre Einstellung des Ökonomisten mag dabei die persönliche Freiheit, allerdings vorrangig zum Ausleben materieller Bedürfnisse verstanden, sein. Die antiegalitäre Einstellung des Nationalen geht demgegenüber von seinem Verlangen nach geistiger Vielfalt aus, die sich in der Vielfalt der Kulturen, Sprachen, Nationen, Religionen und soziale Lebensweisen äußert und das Leben in dieser Zeit im Grunde erst interessant und lebenswert macht. Angesichts dieser tiefgreifenden Unterschiede reicht auch der Antiegalitarismus nur zur gemeinsamen Abgrenzung nach links, nicht aber zur Begründung einer politischen Handlungsplattform der unterschiedlichen Rechtsströmungen aus.

Ein letztes Wort sei den Konservativen gewidmet: Sobald nationales Denken in der Bevölkerung die Mehrheit gewinnt, werden sie nach einer kurzen Phase der Besinnung kommen und sich anschließen, schon weil sie dann den Gedanken der Nation gut und erhaltenswert finden werden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen