© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


Kino: "Ein einfacher Plan" von Sam Raimi
Allenthalben Abgründe
Ellen Kositza

Es ist schon vorgekommen, daß sich Jungstudenten in der Mensa über irgendeine lokalpolitische Groteske ausließen und das Vorgekommene in gemeinsamem Einverständnis als "fargo-mäßig" etikettierten. Gewissermaßen unter der Hand ist der makabre Krimi "Fargo", der 1996 zwar beachtliche Kritiken und Auszeichnungen einholte, über eine eher interne Beachtung jedoch nicht sichtbar hinauskam, zum Kult, wenigstens zum Symbol geworden. In die Fußspuren von "Fargo", diesem schrägen Film, dessen Protagonisten mit ihrer Gabe, immer eine Strecke zu kurz zu denken, einen schier verzweifeln ließen, tritt nun "Ein einfacher Plan": auch hier Abgründe menschlichen Verhaltens. Hank (Bill Paxton), braver und wohlangesehener Kleinbürger, sein geistig etwas zurückgebliebener, doch herzensguter Bruder Jacob (Billy Bob Thornton) und dessen Freund, der cholerische Alkoholiker Lou (Brent Briscoe) machen im tief verschneiten Wäldchen einer amerikanischen Kleinstadt eine verhängnisvolle Entdeckung: Ein abgestürztes Sportflugzeug, darin neben zwei Leichen eine Tasche mit vier Millionen Dollar. Wir sollten die Polizei rufen, deutet der Biedersinn Hanks an, doch läßt der sich von der skrupellosen Gier Lous, von dessen ihm abgerungenen Versprechen, das Geld wenigstens bis zum Frühjahr nicht anzutasten, schnell zum Schweigen bringen; hinzu kommt die ansteckende kindliche Euphorie des tumben Jacob. Daß der üppige Fund nur Drogengeld sein könne und somit ohnehin keinem wirklich rechtmäßigen Besitzer zukomme, hat man sich gegenseitig schnell versichert, und unter der Bedingung, daß die Scheine zunächst sämtlich in seinem Haus gelagert werden, teilt Hank, gewissermaßen der geborene Mr. Zuverlässig, nun mit zwei eher unberechenbaren Randerscheinungen der Gesellschaft ein großes Geheimnis.

Im Grunde ist die Idee der heimlichen Millionäre damit schon von Beginn an alles andere als ein einfacher Plan, doch der eigentlich verhängnisvolle Sog setzt ein, als beim Versuch der Brüder, ihre Spuren um die Fundstelle zu tilgen, ein Unbeteiligter ums Leben kommt – an Jacobs wie an Hanks Händen klebt nun Blut. Die Auseinandersetzungen, die anschließend mit Lou folgen, sind voraussehbar, denn Lou ist ein festgelegter Charakter im amerikanischen Film, vermutlich dient ein realer Typus des amerikanischen Mannes als Vorbild: dick und bärtig, rotes Bluthochdruck-Gesicht, aggressiv und ressentimentgeladen, Unterschicht. Lou bereitet Probleme. Im folgenden gebiert eine Lüge die nächste, wobei Hanks zunächst noch hochschwangere Frau (Bridget Fonda) zunehmend eine treibende Rolle spielt und ein Argument mit Überzeugungskraft parat hat: "Ein Kind kostet schließlich Geld." Die Bildersprache besticht dabei nicht nur im Fall der Gebärenden: So wie eine Schneedecke so manches zu verbergen imstande ist, so ist die einmal auf ihr hinterlassene Fährte verräterisch …

Am Ende des Films steht, von außen beschaut, das gängige Idyll einer recht spießigen Kleinfamilie. Doch ist nichts mehr, wie es war, denn Hank ist über Leichen gegangen. Die existentielle "Wie-aber-hättest-du-gehandelt?"-Frage stellt der Film nicht, auch wenn er es mitunter vorzugeben scheint. So tragisch sich die Verwicklungen schließlich auch ergeben, hier soll kein Zuschauer geläutert werden. Interessant ist "Ein einfacher Plan" für Freunde schwärzester Krimis, und dabei hält der Film dem Vergleich mit "Fargo" unbedingt stand.


 
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