© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Kolumne:
Doppel-Religion
von Peter Sichrovsky

Deutschlands grün-rote Koalition hat sofort bei Regierungsübernahme erkannt, was das dringendste Thema für die deutsche Bevölkerung ist: die doppelte Staatsbürgerschaft. Die verantwortlichen Minister und der Kanzler haben damit ein Signal gesetzt, die so wichtigen Probleme wie Arbeitslosgkeit, Wirtschaftskrise, EU-Korruption, Umweltzerstörung usw. in den Griff zu bekommen.

Wie man hört, soll auch schon der nächste Schritt zur politschen Problemlösung in Vorbereitung sein: nach der doppelten Staatbürgerschaft die doppelte Religionszugehörigkeit. Die grünen Minister der Regierungskoalition, die in so wichtigen Fragen stets eine Vorreiterrolle übernehmen, haben bekanntgegeben, daß die Präsidenten und Oberhäupter der Religionsgemeinschaften in Deutschland mit einem strategischen Papier bereits kontaktiert wurden. Der Vorschlag sieht vor, daß ein Christ auch Moslem werden darf, ein Jude auch Buddhist und ein Hindu auch Konfuzianer. Mitglieder kleinerer Gemeinschaften können nur Christen werden. Andere Querverbindungen sind nur auf speziellen Antrag erlaubt, der hinreichend begründet werden muß.

Die Grünen versprechen sich von der doppelten Religionszugehörigkeit eine Verminderung der Spannungen, eine Verbesserung des Zusammenlebens, eine schnellere Integration und letzten Endes das Zusammenleben aller in einer Einheitsreligion. Deutschlands Grüne sehen die ideale Gesellschaft mit einer einzigen Religion und einem einzigen Gott, der dann von der Basis gewählt wird. Zu diesem Ziel soll die Doppel-Religion führen, wofür auch die Gotteshäuser entsprechend umgebaut werden müssen. Die Kirchen bekommen Teppiche für die betenden Moslems, und der Muezzin darf vom Glockenturm aus die Gläubigen zum Gebet rufen. In den Synagogen werden vergoldete Buddhas aufgestellt und Räucherstäbchen angezündet, damit sich alle wie zu Hause fühlen. In Mischehen lebende Deutsche und natürlich auch Auch-Deutsche bekommen dann einen besonderen Steuernachlaß, wenn die beiden Partner automatisch mit dem Ehevertrag auch die Religion des anderen übernehmen.

Des Menschen Glück – so denken die Grünen für uns – muß diesem erst einmal erklärt werden. Daß je nach Wahlresultat bisher mehr als 90 Prozent der Bevölkerung dieses "grüne Glück" nicht verstanden haben, ändert nichts an dem "moralischen" Wert ihrer Forderungen. "Moralin" – laut Duden: eine enge, spießbürgerliche Sittlichkeitsauffassung – kommt allerdings auch von "Moral" und paßt als eine gesellschaftsfähige Garderobe hervorrragend zu "Grün".


 
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