© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Beratungsschein: Bischöfe haben entschieden
Mogelpackung
Lothar Groppe S.J.

Der Bericht von Bischof Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zur Schwangerschaftskonfliktberatung wird je nach Standort verschieden beurteilt. Während die Befürworter des Verbleibens in der Konfliktberatung im wesentlichen zufrieden sind, sprechen die "Christdemokraten für das Leben" von einer Mogelpackung. Die Frage ist, ob der hart umkämpfte Kompromiß die Zustimmung des Papstes findet oder ob dieser ihn, gleich Kardinal Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation, ablehnt.

Unbestritten, wenn auch selbstverständlich ist, daß es allen Bischöfen um einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens geht. Wie Bischof Lehmann ausführte, gebe es für den Kompromiß, der "Beratungs- und Hilfeplan" genannt wird, unter den Bischöfen eine Mehrheit. Er geht davon aus, daß man unter bestimmten Voraussetzungen im staatlichen Beratungssystem bleiben könne, wenn Beratung und Hilfe intensiviert werden. Aber es würde – wie bisher – ein Beratungsschein ausgestellt, der eine zwar "rechtswidrige, aber straffreie" Abtreibung erlaube. Diesen Schein bezeichnet Erzbischof Dyba in seiner gewohnt prägnanten Diktion als "Tötungslizenz". Ob die Hoffnung von Bischof Lehmann, der Papst könne den Kompromiß akzeptieren, nicht allzu blauäugig ist, wird sich zeigen.

Man soll nicht den Propheten spielen, aber nach dem Brief von Johannes Paul II. vom Januar vergangenen Jahres an die deutschen Bischöfe, in dem er bat, die Beratung in Not befindlicher Frauen zu intensivieren, ohne einen Beratungsschein auszustellen, der "faktisch eine Schlüsselfunktion für die Durchführung straffreier Abtreibung" ist, erscheint diese Hoffnung doch trügerisch. Dabei handelt es sich bei dem Wunsch des Papstes nicht um eine "Quadratur des Kreises", wie von Befürwortern des Beratungsscheines behauptet wurde, denn Erzbischof Dyba wies einen Weg, der bedrängten Frauen hilft, aber mit dem christlichen Sittengesetz vereinbar ist.

Im September 1993 stieg er aus der Schwangerschaftskonfliktberatung aus, die zwingend die Ausstellung eines Scheins fordert. In ausführlichen Gesprächen mit ihm und seiner zuständigen Diözesanreferentin konnte ich mich überzeugen, daß die Zahl der Frauen, die sich an eine der Fuldaer Beratungsstellen wenden, nicht, wie aus Unkenntnis oder wider besseres Wissen immer wieder behauptet wird, drastisch zurückgegangen ist, sondern steigt, obwohl der ominöse Schein nicht ausgestellt wird. Waren es 1992 (mit Schein) 2.795 Beratungsfälle, stieg die Zahl ein Jahr später auf 2.977, 1944 auf 3.125, 1995 auf 3.356, 1997 3.614 und im vergangenen Jahr auf 3.827. Und was der sogenannte "Beratungs- und Hilfeplan" vorsieht, ist in Fulda bereits seit Jahren verwirklicht. Die entscheidende Frage ist, ob das von allen erstrebte Ziel, einen besseren Schutz der Kinder im Mutterleib zu erzielen, mit dem christlichen Sittengesetz vereinbar ist oder nicht. Ein noch so guter Zweck heiligt kein verwerfliches Mittel, wie Paulus im Römerbrief (3, 8) schreibt. Und die Ausstellung eines Beratungsscheines ist die einzige Bedingung für eine straffreie Abtreibung.

Zu Recht weist Bischof Lehmann darauf hin, "daß die Aufhebung der Strafbarkeit der Abtreibung nach erfolgter und bestätigter Beratung in einem schwer zu vermittelnden und mißverständlichen Verhältnis zu diesem erklärten Unrechtscharakter steht".

Johanna Gräfin von Westphalen, die Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben, schrieb gemeinsam mit zahlreichen Persönlichkeiten aus Adel, Wissenschaft und Politik allen Bischöfen am 4. Dezember 1998 einen eindringlichen Brief, in dem sie darauf hinweisen, daß es sich beim seit 1995 geltenden "Beratungsschutzkonzept" "um nichts anderes als eine Fristenregelung mit Beratungsangebot" handelt.

"Das Gesetz spricht der schwangeren Frau – scheinbar großzügig – die ‘Letztverantwortung’ für Leben und Tod ihres Kindes zu und verkennt dabei, daß niemand sich zur Rechtfertigung der Tötung eines Menschen auf sein Gewissen berufen kann. Das ‘Beratungsschutzkonzept’ unterstellt, daß allein Frauen das Töten als Mittel der Konfliktbewältigungen benötigen – ein Instrument, das in unserem Land, das stolz ist, ein Rechtstaat zu sein, ansonsten niemandem ’zugestanden‘ wird."

Da die Bischöfe übereinstimmen, daß die Abtreibung ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen" ist, wie das II. Vatikanische Konzil betont (Pastoralkonstitution ‘Gaudium et spes’, Artikel 51) stellt sich die Frage, wie sie dann die Ausstellung eines Beratungsscheines rechtfertigen wollen, der die zwar "rechtswidrige, aber straffreie" Tötung eines ungeborenen Kindes gestattet. Sie steht im Widerspruch zur Lehre der Kirche von der Mitwirkung an schlechten Handlungen. Die Entscheidung der Frau nach der Beratung hebt die Mitverantwortung der kirchlichen Beratungsstellen nicht auf. Die Ausstellung von "Tötungslizenzen" durch kirchliche Angestellte trägt zur Verwirrung der Gläubigen bei und macht die Kirche in ihrem moralischen Anspruch unglaubwürdig.


 
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