© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Gerechtigkeit für Enteignungsopfer: Günther Krause sieht Aufschwung Ost durch zuviel nicht zugeordnetes Staatseigentum behindert und fordert Privatisierung durch Ausgleichszertifikate
"Umgang mit Siedlungseigentum ist Gipfel der Ungerechtigkeit"
Kristof Berking

Herr Professor Krause, Sie waren im Jahr 1990 der von der DDR-Regierung beauftragte Verhandlungsführer für die Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland zur Herstellung der deutschen Einheit. Die ehemaligen Bundesregierung behauptete in zwei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, die Sowjetunion habe ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung davon abhängig gemacht, daß der in der SBZ zwischen 1945 und 1949 enteignete Grund und Boden sowie die enteigneten Industrie- und Gewerbebetriebe, auch insoweit sie sich noch im Staatsbesitz befanden, von der Bundesrepublik nicht an die alten Eigentümer zurückgegeben werden. Sie erklären nun, daß Ihnen eine solche Vorbedingung der Sowjetunion nicht bekannt ist, und versichern an Eides Statt, daß auch die DDR-Unterhändler entgegen der späteren Behauptung der Bundesregierung einen Restitutionsausschluß nicht gewollt hätten, sondern daß es Ihnen lediglich darauf angekommen sei, daß das im Zuge der sogenannten Bodenreform erworbene Heimatrecht einzelner DDR-Bürger, also etwa das Recht derer, die auf enteignetem Grund und Boden Häuser gebaut haben, unangetastet blieb. Warum kommen Sie erst jetzt mit dieser Erklärung?

Krause: In einer solchen Form bin ich mit dieser Erklärung erst jetzt im Januar gekommen, das ist richtig. Allerdings habe ich seit 1991 immer wieder darauf hingewiesen, daß zwar einerseits eine "Rückgängigmachung" der Bodenreform und anderer Enteignung nicht möglich ist, andererseits aber im Einigungsvertrag geregelt ist, daß die Betroffenen in einer vernünftigen Form ausgeglichen werden sollen, und um diesen Ausgleich war ich beispielsweise 1993 im Bundestag bemüht. Auch habe ich im März 1998, als Gorbatschow in Berlin nochmals die angebliche sowjetische Bedingung abstritt, dies bestätigt – allerdings ohne Echo.

Ist Ihre eidesstattliche Versicherung nicht rechtlich wirkungslos? Wer ist der Adressat?

Krause: Mir ist ja über Jahre unterstellt worden, ich hätte damals sehr oberflächlich und ohne den richtigen Instinkt für Ost und West agiert. Insofern hat diese eidesstattliche Erklärung erst einmal die Bedeutung, daß sie noch verbindlicher darauf aufmerksam machen soll, was Herr Genscher in ähnlicher Form in seinem Buch geschrieben hat, was der ehemalige US-Präsident Bush gesagt hat, was auch Schewardnadse und Gorbatschow gesagt haben.

Welche Lösung der Bodenreformfrage hatte die DDR-Verhandlungsdelegation 1990 angestrebt, und wie schlugen sich diese Vorstellungen in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen auf dem Gebiet der DDR vom 15. Juni 1990 nieder?

Krause: Das Hauptproblem aller Fragen, die sich mit Rückgaben befaßten, sahen wir darin, daß von DDR-Bürgern redlich erworbenes Eigentum nicht durch Dritte den damaligen Eigentümern genommen würde. Das heißt: Das Heimatrecht der DDR-Bürger wollten wir vor der einseitigen Durchsetzung des Rechts der Enteigneten schützen, und genau das ist Sinn und Zweck beispielsweise der Fassung "Rückgabe vor Entschädigung" oder der Fassung der Erklärung vom 15. Juni 1990, in der ja formuliert war, daß die Betroffenen einen angemessenen Ausgleich zu erhalten haben.

Was sah der erste DDR-Entwurf zum Einigungsvertrag hinsichtlich der Restitutionsfrage vor?

Krause: Der hatte vorgesehen, daß alles zu entschädigen ist.

Und wie kam es schließlich zu der Änderung des Wortes Entschädigung in "Ausgleichsleistungen"?

Krause: Das ist seinerzeit auf Empfehlung des Bonner Innerdeutschen Ministeriums gekommen. Man war der Auffassung, daß der Begriff "Ausgleichsleistungen" hinsichtlich der Möglichkeit von Naturalrestitutionen umfassender ist. Dadurch sollte ermöglicht werden, daß auch diejenigen, bei denen eine Rückgabe des ursprünglich Enteigneten nicht mehr möglich ist, als Ausgleich Grundstücke aus Staatshand erhalten könnten. Der Begriff "Ausgleichsleistungen" ist damals vom Innerdeutschen Ministerium erfunden und mit Leben gefüllt worden. Später hat Schäuble in seinem Buch "Der Vertrag" geschrieben, er sei stolz, das Wort "Entschädigung" gestrichen und so der Bundesrepublik viel Geld gespart zu haben.

Bei ihrer Lösung der Eigentumsfrage war es den DDR-Unterhändlern wohl kaum um Fälle wie die des Franz von Putbus zu tun. An welche Gruppen von DDR-Bürgern dachten Sie im einzelnen, als Sie die Rückgabe des "volkseigenen Vermögens" an die Berechtigten ermöglichen wollten?

Krause: Das sind ja sehr viele unterschiedliche Interessengruppen. Ich fange einmal mit einer ganz einfachen an, die bis 1989 ja permanent Aufsehen erregt hat: die Bautzen-Häftlinge, die nach Westdeutschland verkauft worden sind und im Regelfall auf ihr Eigentum verzichten mußten. Oder die Opfer der Stasi-Aktion "Ungeziefer", in der nach 1949 vielen Eigentümern ihr Grund und Boden willkürlich genommen wurde, um Grenzsicherungsanlagen zu installieren bzw. um keine "unsicheren Bürger" in der Nähe der Grenzregion wohnen zu lassen. Wir wollten 1990 vor allem auch sicherstellen, daß die Siedlungseigentümer, also die Begünstigten der Bodenreform, die ja ungefähr 20 Prozent der gesamten Fläche erhalten haben, in diesem Konflikt angemessen berücksichtigt werden. Und dann gab es unter der sowjetischen Besatzungshoheit zwischen 1945 und 1949 ja auch Tausende von Handwerks- und Industrieenteignungen, was heute oft vergessen wird. Wir haben natürlich keine Diskussion erwartet, in der man nur über 10, 12 oder 15 Grafen, Fürsten und sonstige ehemalige Großgrundbesitzer spricht. Ich persönlich halte diese Diskussion, die da in der Öffentlichkeit geführt wird, auch für völlig falsch. Das Anliegen der DDR-Regierung war, durch eine schnelle Privatisierung, die ja natürlich die Rückgabe von Eigentum beinhaltet, den wirtschaftlichen Aufschwung in relativ kurzer Zeit in den Griff zu bekommen, und ich denke, genau das ist in vielen Bereichen in die Hose gegangen.

Das heißt also, daß der später gesetzlich festgelegte Restitutionsausschluß dazu geführt hat, daß die von Ihnen genannten Gruppen von DDR-Bürgern leer ausgehen.

Krause: Das heißt es. Wir haben ja 1993 im Bundestag versucht, ein sogenanntes Ausgleichszertifikat nicht nur für die sogenannten Bodenreformenteigneten, sondern für alle Enteignungen, die von 1945 bis 1989 stattgefunden haben, zu definieren, und über ein solches Zertifikat – die Bemessungsgrundlage möchte ich jetzt noch nicht in den Mittelpunkt der Diskussion stellen – könnte man auch heute noch einen gerechten Ausgleich und eine Teilrückgabe von in über 40 Jahren Enteignetem zuwege bringen.

Wie hoch ist die Zahl der Opfer, insbesondere in den neuen Bundesländern, und wie ist deren derzeitige wirtschaftliche und rechtliche Lage?

Krause: Wenn man von den bisher gestellten Rückübertragungsanträgen ausgeht, sind es weit über zwei Millionen, wobei ich davon ausgehe, daß es auch eine Reihe von Personen gibt, die keinen Antrag gestellt haben, es wiederum aber auch Leute gibt, die unberechtigt einen Antrag gestellt haben. Wenn ich richtig informiert bin, sind rund 800.000 Anträge bisher abschlägig beantwortet worden. Worin aber die Ungerechtigkeit für mich jetzt gipfelt, ist, wie mit dem Siedlungseigentum, also den Heimatrechten umgegangen wird. Es ist ja bekannt, daß sehr viele Siedler aus den Grundbüchern mittlerweile vom Staat herausgeklagt worden sind, und dies ist einer der Anlässe gewesen, mich um die Dinge im Detail zu kümmern. In Mecklenburg-Vorpommern müssen allein 200.000 Betroffene fürchten, aus dem Grundbuch herausgeklagt zu werden und dann gegebenenfalls auch noch die Gerichtskosten aufgebürdet zu bekommen.

Wer sind heute die Profiteure des Restitutionsausschlusses?

Krause: Im Regelfall der Landesfiskus und in manchen Fällen auch der Bundesfiskus.

Kann man mit Hinblick auf die ehemaligen LPG-Vorsitzenden, die heute in der Regel auch die Nachfolgegesellschaften leiten, sagen, daß es sich in Wahrheit nicht in erster Linie um einen "Ossi-Wessi"-Konflikt, sondern um einen "Ossi-Ossi"-Konflikt handelt und daß dabei die Zahl der durch den Restitutionsausschluß benachteiligten ehemaligen DDR-Bürger weit höher ist als die Zahl der Profiteure?

Krause: Ich sehe in diesem Bereich überhaupt nicht die Definierbarkeit von "Ossi" und "Wessi", wie sie in anderen Bereichen definierbar sind. Ich sehe nur das riesengroße Problem, daß durch zu viel nicht zugeordnetes Staatseigentum der wirtschaftliche Aufschwung für die Leute im Osten wie auch für diejenigen, die aus dem Westen diesen wirtschaftlichen Aufschwung in die Hand nehmen könnten, verhindert wird. Wir haben allein in Mecklenburg-Vorpommern mehrere tausend Grundstücke, die mit den darauf stehenden Gebäuden vom Staat verwaltet werden. Dort fallen hohe Kosten an zur Sicherung und Versicherung der Gebäude etc. Stellen Sie sich vor, diese Kosten hätten wir nicht mehr und nur zehn Prozent davon würden einer vernünftigen wirtschaftlichen Entwicklung zugeführt werden! Das wäre doch wahrscheinlich von Vorteil.

Wenn es nun aber insgesamt so deutlich im Interesse der neuen Bundesländer ist, eine Änderung des Restitutionsausschlusses herbeizuführen, warum ist es dann noch nicht längst zu einem Aufstand in den neuen Bundesländern gekommen?

Krause: Weil die Menschen hier zur Zeit noch ganz andere Probleme haben. Da ist die drängende Arbeitslosigkeit, die ja kaschiert wird durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, durch Fortbildungsmaßnahmen, durch Vorruhestand. Wenn wir ehrlich sind, haben wir in vielen Regionen eine Arbeitslosigkeit zwischen 25 und 35 Prozent. Der zweite Punkt ist: Es hat sich ja das Leben in den letzten neun Jahren, vor allem in den Jahren 1990/ 91, nicht bloß verändert, sondern um 180 Grad gewendet. Es gibt ja kaum einen DDR-Bürger, der irgend etwas aus seiner alten Zeit heute noch verwenden kann. Zu der neuen Existenzsicherung kommt auch noch die Angst vor Repressalien; es hat ja eine Zeit gegeben, in der jeder SED-Genosse – völlig zu unrecht – als Stasi-Mitglied verunglimpft wurde. All diese Dinge machen natürlich hier in den neuen Bundesländern den Leuten das Leben schwer. Wo es jetzt massiven Widerstand geben wird, ist die Siedlungsproblematik, weil damit gegen eine Grundsicherung des Einigungsvertrages verstoßen worden ist und sehr, sehr viele Existenzen nicht nur gefährdet, sondern sogar schon vernichtet wurden.

Wie kann das Problem denn jetzt noch gelöst werden, wenn den Enteignungsopfern doch noch Gerechtigkeit widerfahren soll, und mit welcher Lösung wäre dem wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern am besten gedient?

Krause: Ich bin nach wie vor der Meinung, daß das sogenannte Ausgleichszertifikat, wie wir es 1993 im Bundestag vorgeschlagen hatten, Gerechtigkeit bringen könnte. Kurz das Modell dargestellt: Der Verkehrswert der Immobilie vom 3. Oktober 1990 wird auf den Ertragswert heruntergerechnet, und in Höhe dieses Ertragswertes erhält der alte Eigentümer ein verbrieftes Grundrecht über zehn Jahre ab Gesetzeserlaß. Gegen dieses Grundrecht kann man sein Eigentum zurückerhalten oder, wenn es nicht mehr im Besitz des Staates ist, eine andere Immobilie verlangen. Beispiel: Der Verkehrswert beträgt eine Million, der Ertagswert der entsprechend eingeschätzten Immobilie oder Industrieanlage beträgt 600.000 Mark. Dann kann man für dieses 600.000-Mark-Zertifikat vom Staat sein eigenes Grundstück oder ein anderes Grundstück mit gleichem Ertragswert erhalten. Wenn jemand über zehn Jahre davon keinen Gebrauch macht, auch sein Zertifikat nicht verkauft, hat er nach zehn Jahren einen Anspruch auf 25 Prozent des Wertes von heute. Das war in etwa die Lösung von 1993, und die würde ich heute für die Herstellung der Gerechtigkeit – ich erinnere noch einmal an die Bautzen-Opfer, die Vertriebenen, die Opfer der Aktion "Ungeziefer" und auch die Industrie- und Bodenreform-Enteigneten – für angemessen halten.

Vergessen wir einmal den Gerechtigkeits- und Rechtsstaatseinwand. War und ist der Verkauf des Enteignungsgutes aus dem Besitz der DDR durch die Bundesrepublik an Investoren notwendig zur Finanzierung der Wiedervereinigung und für den Aufschwung in den neuen Bundesländern, wie die Bundesregierung offenbar meinte?

Krause: Ich schließe nicht aus, daß die Regelung des sogenannten Investitionsvorranges richtig war, der ja besagte: Wenn ein Investitionskonzept dem Investitionskonzept eines Alteigentümers weit überlegen ist, kann der Eigentümer mit einer Entschädigung abgefunden und dem Investitionsvorhaben des Dritten der Vorrang gegeben werden. Das ist aber nur an wenigen Stellen tatsächlich umgesetzt worden. In der jetzigen Situation ist die Frage, wie wir den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern eher entfachen können, ganz einfach zu beantworten: indem wir mehr privates Eigentum in die Händen von wirtschaftlich interessierten Bürgerinnen und Bürgern geben.

Roman Herzog wurde vorgehalten, er hätte als Richter des Bundesverfassungsgerichts in der Frage des Restitutionsausschlusses wegen Befangenheit nicht entscheiden dürfen, da er zuvor die Volkskammerabgeordneten beraten habe. Können Sie diesen Vorwurf bestätigen?

Krause: Diesen Vorwurf kann ich persönlich überhaupt nicht bestätigen. Ich kenne die Kollegin, die aus der CDU/DA-Fraktion (DA für "Demokratischer Aufbruch") damals an den Beratungen mit Roman Herzog teilgenommen hatte, und ich habe mich zu diesem Thema mit ihr erst kürzlich unterhalten. Diese Anwältin, die damals Vorsitzende des Rechtsausschusses war, kann die in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe nicht bestätigen.

Weshalb gelang es der CDU nicht, in der ehemaligen DDR stärker Fuß zu fassen?

Krause: Bis 1994 hat es ja gut geklappt, aber danach eben nicht mehr. Ich denke, das hängt damit zusammen, daß eine Reihe von Fragen, nehmen Sie nur dieses Problem der Enteignungen von Siedlerflächen hier in Mecklenburg-Vorpommern, die CDU sehr, sehr viele Wählerstimmen gekostet haben. Was die CDU heute hier im Osten braucht, ist ein neuer Ludwig Erhard.

Wie erklären Sie sich die Renaissance der SED-Nachfolgerin PDS?

Krause: Die PDS ist in den Augen vieler Menschen in den neuen Bundesländern die einzige Partei, die ostdeutsche Interessen in Bonn vertritt, so wie die CSU bayerische Interessen vertritt. Sehr, sehr viele PDS-Wähler wählen die PDS nicht, weil sie das linke Parteiprogramm mögen, sondern weil sie glauben, daß die aufmüpfige Art und Weise des Herrn Gysi im Deutschen Bundestag die ostdeutschen Interessen besser zum Ausdruck bringt, als die großen Volksparteien.

In Ihrem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist gerade eine "Sozialliberale Partei" gegründet worden, weil vielen SPD-Mitgliedern die Zusammenarbeit der SPD mit der PDS unerträglich war. Halten Sie diese Kooperation für klug?

Krause: Ich denke, daß diese Entwicklung, so wie sie auch Lafontaine jetzt befürwortet, von der SPD und von der PDS gewollt ist. Der Wähler wird dann die nächsten Male entscheiden, ob die SPD klug daran getan hat. Diesmal, das muß man eindeutig sagen, hat die Ankündigung der PDS, mit der SPD zusammenarbeiten zu wollen, und die relative Stille der SPD zu diesem Thema dazu geführt, daß sich eine links-linke Mehrheit gefunden hat. Die linke Mehrheit in Deutschland ist ja auch tatsächlich größer geworden. Bekanntlich hat die PDS den Sprung über die fünf Prozent geschafft, unter anderem auch weil westdeutsche Stimmen dazu gekommen sind.

Würden Sie die deutsche Einheit unterm Strich als einen Erfolg bezeichnen, und wo gibt es noch Unerledigtes?

Krause: Jeden Tag als einen Erfolg! Weil es die einzige Chance war, in relativ kurzer Zeit die negative Entwicklung der 40 DDR-Jahre in den neuen Bundesländern zu überwinden. Wir machen in Deutschland immer den Fehler, daß wir uns die anderen Bruderländer des ehemaligen RGW, des Warschauer Pakts, nicht angucken: Rußland, Polen, Tschechei, Ungarn. Ohne die Aufbauleistungen dort unterschätzen zu wollen, sind wir doch sozialpolitisch in in den neuen Bundesländern bei weitem weiter gekommen. Ich persönlich vertrete allerdings die Auffassung, daß viel zu wenig Westdeutsche noch im Detail akzeptieren, daß eben das individuelle Leben in der DDR zwangsläufig maßgeblich geprägt wurde durch die Gesellschaft. Westdeutsche Bürger brechen zu schnell den Stab über ihre ostdeutschen Landsleute. Das muß sich ändern, das ist unerledigt. Die zweite Sache, die sich ändern muß, ist die Ungeduld im Osten, daß man nicht warten kann, nicht warten will, und sich nicht die Zeit nimmt, die eigentlich zur Veränderung notwendig wäre. Was den Einigungsvertrag angeht, so habe ich ja schon des öfteren in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen, daß der Einigungsvertrag zu ca. 40 Prozent noch nicht, falsch oder nur teilweise umgesetzt ist.

Sie sind heute selbständiger Unternehmer. Haben Sie noch politische Ambitionen?

Krause: Ich habe kein politisches Amt mehr, und nachdem ich ja in Rostock die Wahl um das Bundestagsdirektmandat nicht gewonnen habe, sollte ich dieses Zeichen der Wählerinnen und Wähler zur Kenntnis nehmen und meine politischen Ambitionen für die Zukunft einstellen.

 

Prof. Dr. Günther Krause wurde 1953 in Halle geboren und studierte nach dem Grundwehrdienst bei der NVA Bauingenieurwesen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar. Er wurde 1978 Diplomingenieur, promovierte 1987, arbeitete als Hochschulassistent und -dozent und erhielt 1990 eine Honorarprofessur in Weimar. Krause hat drei Kinder und ist geschieden. Seit 1975 Mitglied der CDU, wurde er 1990 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern und war von April bis 2. Oktober 1990 Parlamentarischer Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR und Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Volkskammer der DDR. Am 3. Oktober 1990 wurde er Bundesminsiter für besondere Aufgaben und im Januar 1991 für Verkehr. Wegen der sog. Putzfrauenaffäre trat er am 6. Mai 1993 zurück und wurde selbständiger Unternehmer. Vom 3. Oktober 1990 bis 9. November 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages.


 
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