© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/99 05. März 1999


Die Linke und die PKK: Schwanken zwischen Sympathie und Ablehnung
"Bewegung mit völkischer Tendenz"
Hanno Borchert / Gerhard Quast

Als anläßlich der Entführung von PKK-Chef Abdullah Öcalan Autonome in Berlin zu einer Demonstration an der Gedächtniskirche aufriefen und dort die "internationale Solidarität" hochleben lassen wollten, stand den drei Hundertschaften der Polizei ein Häufchen von kaum 50 Demonstranten – darunter der Altlinke und grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele – gegenüber. Weit und breit waren jedoch keine Kurden zu sehen. Die hatten sich in Berlin eine Trauerwoche für die bei der Erstürmung des israelischen Generalkonsulats erschossenen Kurden auferlegt und die Linksextremen im Regen stehen lassen. Entsprechend kläglich scheiterte der Aufmarsch gegen die "antikurdische Hysterie": zwei Transparente wurden beschlagnahmt, mehrere Demonstranten festgenommen, die Ansammlung in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Der extrem ungüstig gewählte Zeitpunkt machte eines aber deutlich: die fehlende kulturelle Sensibilität der Linken gegenüber den Kurden.

Daß sich "antiimperialistische Kreise" der Bundesrepublik Deutschland – angefangen vom Kommunistischen Bund (KB) über die KBW-Abspaltung Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) bis hin zur "Autonomen Antifa" – mit der als "kommunistisch" titulierten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) solidarisch zeigen, ist nicht ungewöhnlich. Und auch nach dem 1993 vom Bundesinnenminister ausgesprochenen Verbot der "terroristischen" PKK (seit 1996 gilt sie als "kriminelle Vereinigung") gab es regelmäßig Solidarisierungen, die über die reine Sympathie für das unterdrückte Volk der Kurden hinausgingen.

Zu einer Hamburger Demonstration "Der kurdische Befreiungskampf läßt sich nicht verbieten! Weg mit dem PKK-Verbot!" im November 1994 riefen beispielsweise die Antifa Jugendfront Hamburg, die Arbeitsgemeinschaft BWK der PDS Hamburg, der PDS-Landesverband, die DKP-Eimsbüttel sowie weitere autonome Gruppen auf. In dem Aufruf betonen diese, daß die PKK "seit 1988 immer wieder einen friedlichen und politischen Weg zur Lösung der kurdischen Frage angeboten" habe.

Auch in dem 1995 vom Kölner Kurdistan-Informationszentrum initiierten "Appell von Hannover" wurde unterstrichen, daß sich die PKK wiederholt für eine "friedliche, politische Lösung der Kurdenfrage" ausgesprochen habe und eine "Aufhebung der Verbote kurdischer Vereine und Organisationen in der BRD" längst überfällig sei.

Im Dezember 1997 initiierte schließlich der in Köln ansässige GNN-Verlag eine Petition zur Aufhebung des PKK-Verbots. GNN war ursprünglich eine Firma des BWK. Im Zuge der Annäherung des BWK an die PDS wurde der Verlag juristisch selbständig, ist jedoch als der PDS nahestehend anzusehen. Neben den Antifaschistischen Nachrichten, dem dem linksterroristischen Umfeld zuzurechnenden Angehörigen Info und einigen PDS-Rundbriefen westdeutscher Verbände erscheint dort auch der Kurdistan-Rundbrief, der alle zwei Wochen über "den kurdischen Befreiungskampf gegen Kolonialismus" berichtet. In der aktuellen Ausgabe werden zum Beispiel PKK-Erklärungen, ein Aufruf der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) sowie eine Solidaritätsadresse der PDS Bayern dokumentiert. Dem Herausgeberkreis gehören neben den PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Winfried Wolf auch einige grüne Landtagsabgeordnete an. Über Zweigniederlassungen des GNN-Verlages, die häufig mit PDS-Gliederungen identisch sind, wird in einigen Städten auch die Solidarisierungsarbeit für Kurdistan getätigt. Anders als beispielsweise in Köln, wo der Kurdistan-Arbeitskreis telefonisch über das Antifa-Referat des AStA zu kontaktieren ist, landet man in Essen, Mannheim, Stuttgart, Karlsruhe und München automatisch bei einer Zweigstelle des linksextremen GNN-Verlages.

In dessen Petition gegen das Betätigungsverbot für die PKK und ihr zugerechnete Vereine protestieren die Unterzeichner gegen eine Einschränkung der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit. Zwar müsse "auf Straftaten juristisch reagiert werden". Das PKK-Verbot bewirke aber "eine flächendeckende und pauschale Verfolgung und Diskriminierung der gesamten kurdischen Minderheit" und habe sich "als Mittel der Eskalation erwiesen mit der Folge immer weiterer Strafverfolgung".

Zu den Erstunterzeichnern gehörten neben Bündnisgrünen und Gewerkschaftern auch wieder die übliche PDS-Prominenz: Ulla Jelpke, Sylvia-Yvonne Kaufmann und Marion Seelig. Unterschrieben wurde der Appell schließlich von antifaschistischen Gruppen und weiteren PDS-Funktionären und -Abgeordneten wie Eva Bulling-Schröter, Barbara Borchardt und Jakob Moneta.

Um so erstaunlicher ist es, daß bei den Demonstrationen der vergangenen Wochen wie beispielsweise dem mit rund 10.000 Teilnehmern vielbeachteten Trauermarsch für die drei (mittlerweile vier) in Berlin erschossenen Kurden – trotz eines Aufrufs der Berliner Grünen und der PDS – das linke bis linksextreme Spektrum kaum mobilisiert werden konnte. Von einigen Mitglieder des Abgeordnetenhauses abgesehen blieb das Fußvolk dem Demonstrationszug fern.

Denn der Befreiungsnationalismus, der für die "revolutionäre Linke" kennzeichnend war, gehört längst der Vergangenheit an. Die antinationale Linke ist sich mit den transnationalen Konzernen längst einig: "Volk" ist ein gegenstandsloser, imaginärer Begriff; "Kultur" gilt als entweder ebenso dubios oder als so marginal, daß politisches Selbstverständnis sich darauf nicht zu beziehen hat. Beispielhaft für dieses Ausrichtung vieler heutiger Linker ist die Hamburger "gruppe demontage", eine kleine, aus dem KB hervorgegangene Kadergruppe, die im letzten Jahr das Buch "Postfordistische Guerilla – Vom Mythos nationaler Befreiung" herausgebracht und seither für reichlich Diskussionsstoff gesorgt hat. In dem Buch setzt sich die Gruppe kritisch mit den klassischen Befreiungsbewegungen in Algerien, Korsika, Mexiko, Nordirland, dem Baskenland, Nicaragua und auch mit Kurdistan und der linken Solidaritätsszene auseinander.

Deutlich wird diese antinationale Trendwende der Linken an der zurückgehenden Beteiligung an pro-kurdischen Demos oder den Newroz-Feiern. An dieser für die Kurden in Deutschland bedrückenden Situation, daß ihnen nach und nach nun auch ihre linke "Soliszene" wegbröckelt, haben zu einem nicht unerheblichen Teil die antinationalen Genossen von Gruppen wie der "demontage" beigetragen. "Befreiungsbewegungen, die wie die PKK auf einer Staatsfixierung in Verbindung mit völkischen Elementen aufbauen, verdienen als Organisation von Linken keine Unterstützung. (…) Wir müssen uns also verhalten, und zwar in einer Weise, welche die Repression angreift, es aber unterläßt, positive politische Bezüge zur PKK herzustellen", bekennen sie freimütig. Das bedeutet ganz konkret, daß weder "die kurdischen Nationalfarben auf Plakaten benutzt werden, noch PKK-Fahnen geschwenkt werden. (…) Notwendig ist die Solidarität wegen der repressiven und rassistischen Verfolgungspolitik und nicht wegen der PKK oder dem kurdischen Volk." Diese antikurdische Position der "gruppe demontage" findet sich gleichermaßen in dem Autonomen-Info Interim wie auch in der aktuellen Ausgabe der linken Lokalberichte. Dort heißt es: "Wer allgemein bejahend von Identität als positiver Kategorie spricht und von einem ‘Selbstbestimmungsrecht der Völker’ ausgeht, untergräbt damit die Grundlage des Antirassismus. Ein Bezug auf ‘Scholle/Heimat’, die ethnopluralistische Kategorie ‘Volk’ führt direkt zum Dogma ‘jedeR an Ihrem Platz’." Dies macht ihrer Ansicht nach die PKK, die schon in ihrem Gründungsmanifest feststellt, daß "der Hauptkonflikt des Landes von nationaler Qualität" sei. Wegen dieser Fixierung auf die nationale Frage, die Befreiung Kurdistans, habe die PKK auch kein eigenes Verständnis von Sozialismus entwickeln können. Daß die PKK eine nationale Befreiungsbewegung "mit völkischer Tendenz" sei, zeige auch die Mobilisierung der PKK zum 1. Mai 1996 als einem "Arbeiterkampftag der Völker".


 
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