© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/99 19. März 1999


Bund der Vertriebenen: Gespräche im Vorfeld des CDU-Parteitages
Recht darf nicht geopfert werden
Paul Latussek

Auf Einladung des Vorsitzenden der CDU Deutschlands, Wolfgang Schäuble, fand am 4. März 1999 ein Gespräch zwischen dem Präsidium der CDU und dem Präsidium des Bundes der Vertriebenen statt. Der Zeitpunkt war gut gewählt, vor dem Parteitag der CDU in Erfurt, und zeugt von der Absicht, die gewonnenen Erkenntnisse in die Parteitagsdokumente einfließen zu lassen. Inwieweit dies gelingt, wird sich zeigen.

Wichtig ist auf jeden Fall die bemerkenswert offene Zuwendung zu den Heimatvertriebenen, die bei Teilen der CDU sicherlich Tradition hat, aber durch die ganze Art der Gesprächsführung und durch die Bereitschaft, interessiert zuzuhören, eine besondere Note erhalten hat. Offen wurde gesprochen; egal, ob es um die Standpunkte und Probleme bei der EU-Osterweiterung, wie zum Beispiel die Sicherung des Rechtes auf die Heimat und um die Eigentumsrechte oder um die Beseitigung der die Deutschen diskriminierenden Gesetze, wie zum Beispiel die Benesch-Dekrete ging.

Die vielfältigen Fragen beim Staatsangehörigkeitsrecht, die für unsere Landsleute in den Heimatgebieten so wichtig sind, bedürfen einer behutsamen Behandlung, damit sie nicht erneut ausgegrenzt werden. Die materielle Sicherung der Pflege des ostdeutschen Kulturerbes ist nicht nur für die Ostdeutschen wichtig, sondern eine gesamtstaatliche Aufgabe zur Erhaltung des nationalen Kulturerbes und ein Beitrag zur Identitätsbewahrung unseres Volkes. Die Unterstützung unserer Landsleute in der Heimat muß Schwerpunkt einer verantwortungsvoll wirkenden deutschen Politik bleiben. Die Sprachausbildung, die grenzüberschreitende Kulturarbeit, die Unterstützung bei Schaffung von Strukturen der Selbstverwaltung sind Maßnahmen, auf die unsere Landsleute schon aus Gründen des Solidarverhaltens in unserem Volke Anspruch haben. Es gehört sicherlich zu den Fehlleistungen deutscher Politik der vergangenen vier Jahre, daß der Novellierung des Vertriebenenzuwendungsgesetzes nicht die Beachtung geschenkt wurde, die notwendig gewesen wäre. Der Solidarbeitrag für die Heimatvertriebenen in den neuen Bundesländern muß allen Betroffenen ausgezahlt werden. Dies bleibt unsere Forderung! Eine Bindung der Auszahlung an Bedingungen, die nichts mit der Vertreibung zu tun haben, entspricht nicht dem Geist des Gesetzes und wird allen Heimatvertriebenen unverständlich bleiben. Die Zuwendung deutscher Politik zu den deutschen Opfern der Vertreibung muß sich endlich auch darin zeigen, daß die Bestrafung der Täter auch von staatlicher Seite eingefordert wird, daß den Opfern eine würdige und angemessene nationale Gedenkstätte errichtet wird und daß die Vergütung für die Schäden an Leib und Seele nicht länger bei zwischenstaatlichen Gesprächen ausgeklammert bleibt. Die Entschädigung deutscher Zwangsarbeit, die Anerkennung dieser Zeit bei der Rente, auch dann, wenn es sich um Tausende zur Zwangsarbeit verschleppter Kinder und Jugendlicher handelt, darf nicht weiter ein Tabuthema bleiben. Es wird Zeit, daß die Nachkriegsgeschichte der Ostdeutschen und der Sudetendeutschen in einem Informations- und Dokumentationszentrum erfaßt wird und die 800jährige Kulturgeschichte mit modernsten Dokumentationsverfahren in den vielen Varianten seiner sprachlichen, musikalischen und künstlerischen Darstellung für die kommenden Generationen aufbereitet wird. Dies ist das Mindeste, was 50 Jahre nach den völkerrechtswidrigen Ereignissen eine selbstbewußte deutsche Politik für die eigenen Landsleute leisten sollte.

Der Bund der Vertriebenen braucht zur Durchsetzung seiner berechtigten und völkerrechtlich abgesicherten Forderungen den Dialog mit allen gesellschaftlich bedeutsamen Parteien und Gruppierungen in unserem Lande. Diesem Dialog sollte sich niemand verweigern, dem es um eine friedliche Lösung der immer noch ungeklärten Probleme der Nachkriegsentwicklung geht.

Dem Gespräch mit dem CDU-Präsidium müssen darum Gespräche mit den anderen Parteien folgen; offen und verantwortungsbewußt, damit das Recht nicht dem Zeitgeist gebeugt und Unkenntnisse über geschichtliche Zusammenhänge zu Fehlentscheidungen führen, die dem friedlichen Zusammenleben der Völker mehr schaden als nutzen können.


 
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