© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/99 02. April 1999


Romano Prodi
Taktiker für Europa
von Alexander Schmidt

Die Nominierung des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi zum neuen EU-Kommissionspräsidenten auf dem EU-Gipfel in Berlin hätte unter besseren Vorzeichen stehen können, als unter dem Omen der Luftangriffe auf Serbien, die während seiner Wahl geflogen wurden. Doch trotz seines Bedauerns über den Kriegseinsatz ist auch der Taktiker Prodi von der Notwendigkeit des Nato-Einsatzes überzeugt, damit "nach der militärischen Aktion eine neue Konferenz den Weg zu einer Lösung für den Balkan öffnen wird". Denn auch für den künftig ertsen Europäer Prodi scheint eines klar zu sein: Der Balkan gehört zu Europa.

Bereits zu seiner Zeit als Ministerpräsident appellierte er an die Flüchtlinge in den Booten vor Italien. "Albanische Freunde, ihr seid ein stolzes und weises Volk – rettet euer Vaterland." Sein Geschick führte den parteilosen, aber dem linken Fügel der Democratia Christiana nahestehenden Politiker mit dem "Bündnis Olivenbaum" zur Mehrheit im Italienischen Parlament, wo er die Regierung Berlusconis, die rechtgerichtet nich den pro-europäischen Ruf Prodi nahekommen konnte, ablöste und die Regierung des Olivenbaums zu einer der stabilsten in der Geschichte Italiens machte. Bis ihm die Kommunisten bei geplanten Kürzungen in der Rentenversicherung die Unterstützung versagten. Bis dahin agierte Prodi zwischen Kommunisten und Konservativen. Er übernahm Lamberto Dini, Schatzmeister unter Berlusconi, in sein Kabinett und machte ihn zum Außenminister, setzte mit der Opposition nötige Reformen durch und führte Italien gegen den Widerstand der Gewerkschaften mit seiner "kreativen Buchhaltung" in die europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.

Eine Leistung, die dem Wirtschaftsprofessor gut zu Gesicht steht. Auf europäischer Ebene soll er sich – offiziell dementiert – durch die Zusicherung, die Nettozahlungen Deutschlands an die EU zu reduzieren, die Unterstützung Bundeskanzlers Schröders gesichert haben. Ein Händchen für wirtschaftliche Fragen bewies er in seiner Amtszeit als Industrieminister Ende der siebziger Jahre und während er den größten italienischen Staatskonzern IRI privatisierte.

Weiter finden sich in Prodis Vita, dem der "Charme eines Landpfarrers" nachgesagt wird, eine Professur über Wirtschaftsprotektionismus sowie eine Gastprofessur in Havard und die Arbeit als Leiter eines Wirtschaftsforschungsinstitutes und als Verleger.Ob Romano Prodi bei den Europawahlen am 13. Juni mit seiner "Democratici" antritt, bleibt abzuwarten. Die Unterstützung seiner Anhänger sowie zwölf Prozent der Stimmen sind ihm sicher. Doch als EU-Komissionschef braucht er für die künftigen Reformen staatsmännisches Geschick eher als Wahlerfolge.


 
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