© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/99 09. April 1999


Krieg der Medien
von Michael Oelmann

Was hält man sich nicht alles zugute auf die "unabhängigen Medien" bei uns. Doch beim Härtetest, der sich jetzt, in Kriegszeiten, der Berichterstattung stellt, geriert sich der deutsche Journalismus wenig imposant: Über das Geschehen im Kosovo die immer gleichen Einheitsschlagzeilen, unkritisch übernommenes Bildmaterial, und hinter alledem das krampfhafte Bestreben, das Gute und Böse sorgsam zu selektieren. In den mannigfachen Sparten unserer alles durchdringenden Medienwelt herrscht Nachrichteneinerlei. Als hätten die Sender auf Nato-Hausempfang gleichgeschaltet. Selbst solche Medien, die sich sonst so gerne als "kritisch" loben, gefallen sich in markiger Kriegsberichterstattung, die sich in der Regel auf die puren Hausinformationen der Nato-Zentrale stützen. Keine der großen Zeitungen ist bisher in der Lage gewesen, journalistische Haudegen ins Kriegsgebiet zu senden, die aus erster Hand über die Folgen der Bombardements und der serbischen Vertreibung berichten.

Da werden zur besten Sendezeit – gleichsam als Textuntermalung – auch einmal 30 Sekunden drei verweste Leichen gezeigt, ohne Authentisierung, woher und von wann die Bilder stammen. Da wird plötzlich um den Schrecken von Vertreibung, Gewalt und Flucht ein mediales Drama veranstaltet, um das an anderer Stelle, geographisch und historisch, wenig Aufsehen gemacht wird. Und die Flüchtlingstrecks fliehen offenbar immer vor Vertreibung, nie vor Bomben. Warum das spürbare Bemühen, das Geschehen im Kosovo auch wirklich furchtbar darzustellen? Weil man sich in Deutschland vielleicht doch nicht ganz sicher ist bei dem Unternehmen?

Nur, es existiert nur, worüber berichtet wird. Diese Binsenweisheit ist eine sichere Regel der Informationsgesellschaft. Aber darin steckt auch die große Gefahr, die Wirklichkeit zurechtzuschneidern. Das Mediensystem selbst provoziert diese Vereinfachung einer Bilder- und Schlagzeilenwelt, die allzuleicht in die Verfälschung geraten kann. Da ist die Abhängigkeit von einigen wenigen weltweiten Nachrichten- und Bildagenturen. da ist der Zwang, Neuigkeiten bieten zu müssen. Da ist der Zwang zur permanenten Berichterstattung zu gewissen Sendezeiten, um die Werbeetats nicht zu verlieren. So kommt es, daß Bilder und Meldungen gebracht werden, die es eigentlich gar nicht wert sind, oder deren Wert ungeprüft ist. So kommt der Nato-Sprecher täglich in die Nachrichten.

Der Übergang zur Propaganda ist so schleichend. Nur, daß Propaganda heute nicht mehr beim Namen genannt wird. Dieser Berichterstattung sollte sich der Bürger verweigern.


 
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