© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Flüchtlings-Schach
von Peter Lattas

Auf die Bild-Zeitung wäre auch ein Joseph Goebbels stolz gewesen. Selten wurden in Deutschland schamloser die Herumgestoßenen der Weltpolitik zu Propagandazwecken mißbraucht. Ob "Kleine Albenite", die von den Springer-Agitatoren herausgepickte weinende blonde Kriegswaise, oder die namenlosen Flüchtlingskolonnen, die aus dem Kosovo allabendlich durch die Fernsehnachrichten ziehen: Sie alle dienen der moralischen Aufrüstung der Heimatfront.

Unter dem Eindruck dieser Bilder überschlagen sich PR-bewußte Innenminister ebenso wie hilfsbereite Bürger mit gutgemeinten Hilfs- und Aufnahmeangeboten für die herbeigebombten Flüchtlingsströme. Als hätte man die Lehre aus dem Bosnien-Krieg nie gelernt, wie schwer es ist, solche Gäste wieder loszuwerden. Frankreich, Großbritannien und Italien wissen, daß es für die Kosovo-Flüchtlinge keinen Weg zurück geben wird; den haben die Nato-Bomben verschüttet. Schon deswegen läßt man gerne Deutschland den Vortritt bei der heimatfernen Aufnahme der Flüchtlinge, durch die das Vertreibungswerk vollendet wird. Mit der Ansiedlung der Albaner in Deutschland wäre das Kosovo-Problem freilich auch "gelöst". Und Deutschland hätte sich bequemerweise wieder einmal die Kosten aufladen lassen.

Das birgt Sprengstoff – besonders, wenn die Kosovo-Flüchtlinge merken, daß sie nur die dummen Bauern im Schachspiel der großen Mächte waren. Spätestens wenn die anfängliche albanische Begeisterung über die Nato-Bomben in Wut und Enttäuschung über die ausbleibende Heimkehr umschlägt, werden sich die großmütig aufgenommenen Flüchtlinge als zusätzliches Bürgerkriegspotential entpuppen.

Deutschland führt Krieg für fremde Interessen und rutscht dabei in Nibelungentreue in eine Situation, in der die militärische Logik schrittweise die politische Vernunft außer Kraft setzt. Kriegskanzler Schröder folgt im Ernstfall dem großen Bruder ebenso willfährig wie sein Wegbereiter Kohl. Selbst Helden wie Stoiber bekommen da kalte Füße und warnen im Falle einer Invasion in Serbien vor dem "Dritten Weltkrieg". Militärische Maßnahmen müssen klar definierten politischen Interessen folgen – und nicht umgekehrt. Im Klartext: Einen Krieg, den man mit den vorgesehenen Mitteln nicht gewinnen kann und der das Gegenteil dessen bewirkt, was er zu bezwecken vorgibt, muß man beenden. Es ist kein Zufall, daß Weltkriegsveteranen wie Alfred Dregger und Helmut Schmidt heute zu den schärfsten Kriegskritikern gehören, während die Politikergeneration der Zivis und Drückeberger die Bundeswehr in ein verantwortungsloses Abenteuer gestürzt hat.


 
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