© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Peter Handke
Mit allen verfeindet
von Burkhart Berthold

Als anno 1966 ein bis dahin unbekannter Kärtner mit einem Roman an die Öffentlichkeit trat, in dem es um die Schwierigkeit des authentischen Empfindens ging ("Die Hornissen"), hätte vielleicht mancher dem jungen Mann zugetraut, den einen oder anderen Literaturpreis zu gewinnen. Daß er dereinst aber als "ideologisches Monster" (Alain Finkielkraut) gehandelt würde, das in einen Käfig gesperrt gehöre (Hans-Christoph Buch), erwartete niemand. Wie schafft man es nur, als Anti-Bourgeois derart ins Kreuzfeuer der Feuilletonisten zu geraten? Wie wird man Träger des Ordens Serbischer Ritter? Langt es, wie von Handke angekündigt, den Büchner-Preis zurückzugeben, den er 1973 erhielt?

All die Kritiker, die Handke heute einen Verräter der westlichen Werte schelten, haben sich an seinen Publikumsbeschimpfungen ebensowenig gestoßen wie an seinen langen Sätzen, in denen oft so wenig Handlung war. Handke ist ein Autor für stille Stunden. Er zieht den Leser in seinen Bann – sofern dieser zuvor der härtesten aller Prüfungen widerstehen kann: der gepflegten Langeweile. Die Kraftnaturen, denen Handkes Neigung gilt, sind unangenehm fern von Schiller: Aus Milosevic wird beim besten Willen kein Fiesco, aus Arkan kein Karl Moor. Im Affekt soweit zu gehen, professionelle Halsabschneider zu romantisieren, ist schon ein starkes Stück. Oder sucht er bei ihnen das Große, in dem sein Ich aufgehen könnte, sucht er bei den Serben statt westlicher Dekadenz das Urwüchsige?

Diese Romantisierung findet nicht nur in offenen Briefen an den Rest der Welt statt, sondern auch in einem Theaterstück, "Zurüstung für die Unsterblichkeit" (1997). Dort droht eine unverkennbar nach amerikanischem Bilde geformte Raumverdrängerrotte ("alles wird in ihren Fingern zu Knüppeln") einem archaischen Völkchen mit Umerziehung. Der König dieser Archaier bestreitet nicht einmal seine Verbrechen, aber die Erzählerin steht ihm bei: Die Häßlichkeit der "Raumverdränger" widerlege ihr Moralisieren, und häßlich sei schlimmer als brutal. Grausame, ästhetische Weltansicht! Inzwischen droht auch Handke: Und zwar mit dem Entzug der Erlaubnis zur Uraufführung seines nächsten Werkes, "Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film zum Krieg".

Handke lesen in diesen Tagen geht nicht ohne Politik. Das ist schade. Da möchte man den altrömischen Sinnspruch, daß im Kriege die Musen schweigen sollten, auch auf Schriftsteller ausdehnen. Denn Peter Handke verdient Respekt, als Autor, der seinen eigenen Weg geht, wie bizarr er sein mag. Sein Alltagsüberdruß mag manieriert sein, ist aber gewiß nicht unverständlich. Nur seine Verteidigung einer Vertreibung – sie wirkt arg mutwillig. Wie schreibt er über einen seiner unscheinbaren Helden? "’Ich werde mich mit möglichst vielen verfeinden!‘ dachte er seltsam fröhlich."


 
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