© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Kärnten: Experimentierstube der Alpenrepublik
Haider ist wieder im Spiel
Helmut Müller

Schneller als von vielen erwartet ist Jörg Haider erneut zum Landeshauptmann Kärntens gekürt worden. Wurden vor acht Jahren seine Augen noch feucht aus Kränkung über seine Abwahl, so waren es diesmal Tränen der Freude ob seiner Rückkehr. Seine politischen Gegner tun sich indes noch etwas schwer, sich an die veränderten Verhältnisse zu gewöhnen. Dabei hatte Haider ja schon bei seinem damaligen Ausscheiden angekündigt "mit großer Mehrheit als vom Volk gewählter Landeshauptmann zurückzukehren". Nur wollten es die wenigsten jener Politiker von Volkspartei und Sozialdemokratie glauben, die er jetzt mit Ämtern geködert und bereitwillig in die Landesregierung eingebunden hat.

Mit seinen neuen Tönen hat er wohl alle überrascht: Auf Mitarbeit zum Wohle Kärntens setze er, "ganz in Demut und nicht so sehr im Bewußtsein des Sieges". Da bleibt seinen Gegnern ja schon fast nichts anderes mehr übrig, als mit ungläubigem Staunen mitzumachen, auch wenn SPÖ Chef Manzenreiter voreilig verkündet, in zwei Jahren werde Haider entzaubert sein. Vorerst gilt das allerdings für die Partei des sozialdemokratischen Oppositionsführers, die ordentlich zerzaust wurde. Die Haider-Jagdgesellschaft jedenfalls wurde am 7. März ordentlich "in die Schranken gewiesen" (Haider) und das gibt ihm doch trotz mangelnder Möglichkeit zum Alleinregieren einigen politischen Spielraum.

Leicht wird man es ihm deshalb sicher nicht machen, aber da Haider schon einige Erfahrung aus seiner früheren Amtsperiode hat und, zumindest dem Anschein nach, aus seinen Fehlern gelernt hat, könnte ihm doch das eine oder andere gelingen. Davon sind sogar ausgewiesene Linke wie der notorische Haider-Feind und Politologe Anton Pelinka überzeugt. Selbst auf Seite der slowenischen Minderheit ist man ihm gewogen: Der Vorsitzende des linken Slowenischen Zentralverbandes traut Haider sogar zu, daß er zweisprachige Ortstafeln aufstellen läßt. Unter einem sozialistischen Landeshauptmann war es vor etlichen Jahren deshalb immerhin zum berühmten Ortstafel-Sturm gekommen.

Was aber sind schon symbolische Gesten gegen die wirklichen Probleme des Landes, das auf der Einkommenstabelle Schlußlicht in Österreich ist. Haider wäre nicht Haider, hätte er neben Analysen nicht auch Rezepte anzubieten: Die Wirtschaftspolitik möchte er neu organisieren und ein regionales Wirtschaftskonzept in Auftrag geben. Mit der Überbürokratisierung möchte er Schluß machen, Verwaltungsaufgaben aus dem Land herausnehmen, Kärnten zu einem Bürokratie-Musterland machen. Für den von ihm propagierten, aber heftig umstrittenen Kinderbetreuungsscheck wüßte er durch Umschichtungen und Sparmaßnahmen Geld locker zu machen. Weiterhin schwebt ihm eine Förderung des Mittelstandes sowie eine Senkung der extrem hohen Mieten im Lande vor. Eine "schnelle Eingreiftruppe" soll Investoren beraten und durch den Bürokratie-Dschungel lotsen. Am Ende soll ein schlanker und moderner (Frei-) Staat entstehen. Nicht wenig, was er sich da vorgenommen hat.

In der seiner Kür folgenden sonntäglichen TV-Pressestunde wollte der blaue Blitzsieger in Sachen Balkan auch außenpolitische Kompetenz signalisieren: Zwar sei er ein Nato-Befürworter, doch diese habe zu spät reagiert, man habe Milosevic zu lange Zeit gelassen. Dennoch sollte man annehmbare Verhandlungsangebote von dieser Seite nicht gleich ausschlagen, einfach Bomben abzuwerfen sei auch keine Lösung, so Haider. In diesem Zusammenhang sprach er sich für eine großzügige Regelung des Flüchtlingsproblems vor Ort aus, da, wie im Falle der Bosnier in Österreich, die Gefahr bestehe, daß dann auch die Kosovaren hierblieben. Diese würden zusätzlich auch den Arbeitsmarkt belasten.

Wie sieht Haiders zukünftige Rolle in der Bundespolitik insgesamt aus? Mit seiner Bemerkung, daß er keinerlei Ambitionen mehr habe – außer, Landeshauptmann zu sein, hat er einiges Rätselraten ausgelöst. Doch nachdem seine Partei in den letzten Umfragen bundesweit mit 28 Prozent bereits vor der Volkspartei (26 Prozent) liegt, ist es schwer vorstellbar, daß Haiders Appetit bereits gestillt sein wird.

Jedenfalls dürften die Europawahlen am 13. Juni Genaueres über den neuen Stellenwert der Freiheitlichen und mehr über mögliche Chancen bei den Nationalratswahlen im Herbst aussagen. Haider zufolge seien dann Optionen sowohl in Richtung Volkspartei (wo ein Umdenkprozeß im Gange ist) als auch mit den Sozialdemokraten vorstellbar. Und wieder einmal ist der "Schutzpatron der Anständigen und Fleißigen" im Spiel und bestimmt die Regeln. Gelingt ihm in Kärnten, was er sich vorgenommen hat, wäre ein Marsch auf Wien nur schwer abzuwenden.


 
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