© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Private Konkurse: Es ist leichter geworden, Schulden zu machen
Gläubiger sind im Nachteil
Ronald Schroeder

Im vergangenen Jahr galten in Deutschland mehr als zwei Millionen Haushalte als überschuldet. In der Vergangenheit mußten die Betroffenen sämtliches Einkommen über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgehalt an die Gläubiger abführen. Waren die Schulden zu hoch, verlor jede Erwerbstätigkeit ihren Sinn. Diese lebenslange Bindung an einmal aufgelaufene Verbindlichkeiten wird mit dem seit 1. Januar 1999 möglichen Verbraucherinsolvenzverfahren aufgelöst.

Von diesem dreistufigen Verfahren können nur natürliche Personen, die keine oder nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausüben, Gebrauch machen. In der ersten Stufe stellt eine neutrale Stelle (in der Regel die Schuldnerberatung, aber auch Anwälte o.ä.) im Einvernehmen mit dem Schuldner und allen Gläubigern einen Plan zur Schuldenrückführung auf. Gelingt das nicht, kann der Schuldner beim Amtsgericht Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Hierzu muß er die Bescheinigung einer Schuldnerberatungsstelle beibringen. Sie darf nicht älter als sechs Monate sein. Ab Antragseröffnung verlieren noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen ihre Wirkung. Diese leben selbst nach einem Scheitern des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nicht wieder auf. Spätestens hier verwandelt sich der Schutz von Schuldnern in eine unangemessene Benachteiligung der Gläubiger. Das Gericht erstellt einen Plan zur Schuldenrückführung, der sich am Einkommen des Schuldners orientiert.

Da es keine Mindestquote gibt, kann das Gericht in einem sogenannten Null-Plan den kompletten Schuldenerlaß vorsehen. Stimmen mehr als die Hälfte der Gläubiger, die auch mehr als die Hälfte der Forderungen repräsentieren müssen, dem Plan zu (Schweigen gilt als Zustimmung), kann das Insolvenzgericht die Zustimmung der übrigen Gläubiger ersetzen. Andernfalls kommt es in der dritten Stufe zur Restschuldbefreiung. Den Antrag hierzu muß ein Schuldner stellen. Er muß sich verpflichten, innerhalb von sieben Jahren (war er schon am 1. Januar 1997 zahlungsunfähig, genügen fünf Jahre) den Großteil der pfändbaren Forderungen oder Einkünfte an einen vom Gericht bestellten Treuhänder abzutreten. Nach vier Jahren verbleiben dem Schuldner bereits zehn Prozent der eigentlich pfändbaren Anteile seines Einkommens. Nach fünf Jahren sind es 15 und nach sechs Jahren 20 Prozent.

Der Schuldner hat die Pflicht, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben beziehungsweise sich um eine solche zu bemühen. Erbschaften gehen nur zur Hälfte an die Gläubiger. Auf Schenkungen und Gewinne haben die Gläubiger überhaupt keinen Zugriff.

Das Gesetz sieht die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung alle zehn Jahre vor. Problematisch ist die praktische Handhabung. Die Amtsgerichte sind der Vielzahl zusätzlicher Insolvenzverfahren personell nicht gewachsen. Dasselbe gilt für die Schuldnerberatungsstellen. Ohne Beratung aber sind viele Schuldner überfordert. Monatelange Wartezeiten und vor allem die Kosten des Verfahrens von bis zu 2.000 Mark, die die Schuldner im voraus bezahlen müssen, halten viele Überschuldete von diesem Verfahren ab. Clevere Trittbrettfahrer wird das nicht abschrecken können.

Nach Inkrafttreten des Verbraucher- insolvenzverfahrens wäre das von Experten schon seit Jahren geforderte Gesetz zum Schutz der berechtigten Interessen der Gläubiger dringender denn je. Die Bundesregierung sieht hier wohl Handlungsbedarf, bleibt in der politischen Praxis bislang aber untätig.


 
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