© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Pankraz,
M. Lind und das Gespenst der Brasilianisierung

Ein Gespenst geht wieder einmal um, diesmal vorerst in Amerika, es könnte aber auch bald nach Europa kommen: das Gespenst der "Brasilianisierung". Darunter verstehen Soziologen, vielleicht etwas uncharmant gegenüber dem großen demokratischen Staat Brasilien, "die Etablierung brasilianischer Zustände überall in den hochentwickelten Industrieländern" (Michael Lind), zunächst und vor allem in den USA.

Was sind in dieser Sicht "brasilianische Zustände"? An erster Stelle wird meistens genannt eine "Verinselung" differierender ethnischer Gruppen innerhalb eines bestimmten Staatsgebietes und, dadurch bedingt, mittelfristig der Zerfall des Staates, die Rückkehr in den Naturzustand "Alle gegen alle", die Ersetzung übergreifender Staatsgewalt durch gegeneinander konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende mafiaförmige Partikulargewalten.

"Verinselung" – das heißt nicht Ghettoisierung im üblichen Sinne, dergestalt daß eine bestimmte Gruppe in ein soziales Ghetto eingeschlossen und von den übrigen Gruppen abgesondert wird, sondern sämtliche vorhandenen oder einströmenden Gruppen bilden von sich aus Ghettos, besser eben: Inseln, Gebilde, die faktisch wie feindliches Ausland miteinander verkehren, mit einer Binnenmoral auf jeder Insel und einer Binnenpolizei, die nur noch für die Aufrechterhaltung der jeweiligen Binnenmoral sorgen kann, im Außenverkehr hingegen als eine Art Bürgerkriegsarmee fungiert, als Wolfsrudel und Todesschwadron.

Gesetze gibt es in der Brasilianisierung nur noch auf dem Papier, was einzig gilt, ist die Gruppenabsprache, der Spruch des Gruppenältesten und des um ihn gescharten Clans. Man lebt und vergnügt sich in scharf abgeschirmten und schwer bewachten Sonderwohnvierteln, zu denen man Spezialpässe benötigt wie weiland für Honeckers Wandlitz-Paradies.

 

Freie Berufswahl ist abgeschafft,
statt dessen besetzen bestimm-
te ethnische Gruppen ganze Berufszweige, so daß man zum Beispiel nur noch Taxifahrer werden kann, wenn man beispielsweise Russe oder Perser ist. So entsteht eine Angleichung der sozialen Gliederung an die ethnische Gliederung und im Gefolge davon die Einswerdung von Klassen- und Rassenkampf.

Auch das Erziehungssystem wird zum Kampfplatz der Ethnien. Gute Schulen wagen nicht mehr, ihre Schüler nach Begabung und Aufnahmeprüfung auszusuchen, setzen an ihre Stelle ethnische Quoten und beugen sich immer öfter und schließlich definitiv dem Einfluß reicher "Paten", mächtiger "Alumnen". Der vom Staat einst verordnete Bildungskanon gerät ins Rutschen, wird als "bloßes Herrschaftsinstrument" geschmäht, als Hinterlassenschaft "toter weißer Männer" (Homer, Platon, Moses, Kant, Jefferson, Albert Schweizer), über deren Lehren man nur lachen könne.

Literatur und Kunst sind vollständig durch "die Medien" ersetzt, und diese, allen voran die elektronischen, betreiben keine Traditionspflege und reflektieren auch längst keine öffentliche Meinung im klassischen Sinne John Lockes mehr, sondern ausschließlich die allgemeine Gewaltbereitschaft, die Lust an der Gewalt, kitzeln mit geradezu diabolischer Freude die primitivsten Masseninstinkte hoch, wovon sich jeder überzeugen kann, der einmal in Brasilien war und dort das Fernsehen eingeschaltet hat. Gegenüber dem, was man dort sieht, ist RTL ein Programm frommer Betschwestern am Sonntagvormittag.

Was vom Staat nach dem Sieg der Brasilianisierung übrig bleibt, sieht aus wie eine serbische Autofabrik nach der Bombardierung durch die Nato: ein ausgebranntes, schiefgebogenes Gerüst aus Eisenträgern, ein wirres Sammelsurium aus Phrasen und Absichtserklärungen nebst einer arbeitslos gewordenen Bürokratie, die verzweifelt irgend etwas in den Computer hackt und mit Stempeln hantiert, mit denen sich nichts mehr beglaubigen läßt.

 

Mag sein, es gibt noch eine
Strafjustiz und einen Straf-
vollzug, zumal ja (was nicht nur in Brasilien, sondern auch schon in den USA der Fall ist) die Kriminalitätsrate phantastische Höhen erreicht hat. Aber in Wirklichkeit ist alles hohl und unglaubhaft. Die Justiz urteilt rein kasuistisch und völlig ungeniert nach dem Willen des gerade herrschenden Clans bzw. der von ihm abhängigen Medien. Und der Strafvollzug ist selber eine Art Partikularmacht geworden, ein riesiger Staat im Staate, ein demokratischer Gulag, mit eigenen, nur noch sich selbst verantwortlichen Häuptlingen, mit eigenen Spezialindustrien und eigenem Gesundheitswesen, sogar eigenen Eisenbahn- und Fluglinien.

Ob das Gespenst der Brasilianisierung sich wieder verziehen wird, so wie sich ja auch das von Marx und Engels einst genüßlich beschworene Gespenst des Kommunismus wieder verzogen hat, steht durchaus in den Sternen. Auch sollte man nicht vergessen: Das Gespenst des Kommunismus hat sich erst verzogen, nachdem es über siebzig Jahre lang gräßlich in Europas Gemäuern herumgespukt und unzählige Schloßbewohner hinterrücks zu Tode gebracht hat. Man sollte den neuen Spuk also ernst nehmen.

Voraussetzung zu seiner Bannung in Europa ist ganz zweifellos ein Minimum an ethnischer Homogenität innerhalb der Grenzen seiner wichtigsten, bisher mit halbwegs stabiler Staatlichkeit gesegneten Staaten (Deutschland, Frankreich, England usw.). Was wir dringend brauchen, ist eine koordinierte Abwehr jeglicher Clan- und Großfamilienmentalität, wie sie die Zuwanderer aus dem Süden und Südosten mitbringen und bereits vielerorts brutal in Politik umsetzen, eine Besinnung darauf, daß der Dreiklang aus Ethnie, Nation und Staat eine kostbare Errungenschaft der abendländischen Geschichte ist. Ohne ihn, man darf es glauben, gibt es keine gute Musik des Zusammenlebens.


 
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