© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/99 16. April 1999


Kampf gegen die Einsamkeit: Mann sucht Frau, die Mann sucht, der Frau sucht
Gib’dir einen Ruck!
Frank Philip

"Ich möchte mir oft alle meine Federn ausrupfen, wenn ich bedenke, daß Papageno noch keine Papagena hat." So klagt der einsame Vogelfänger in Mozarts "Zauberflöte", und etwa tausend Takte später überkommt ihn die Verzweiflung: "Ach, kann ich denn keiner von allen den reizenden Mädchen gefallen? Helf’ eine mir nur aus der Not, sonst gräm’ ich mich wahrlich zu Tod." Wie durch ein Wunder humpelt gerade da ein häßliche Alte vorbei, droht ihm mit Kerkerhaft, falls er sie nicht heiraten wolle, und als der feige Naturbursche schnell einwilligt, da verwandelt sie sich in die schöne "Pa- Pa- Papagena!"

Ähnlich wie dem gefiederten Opernliebling geht es heute vielen in der anonymen Massengesellschaft. Die Zahl der Alleinstehenden in Deutschland wird auf circa 16.000.000 geschätzt. In manchen deutschen Großstädten wie etwa München gibt es bereits über 50% Single-Haushalte. Der moderne Mensch hat gelernt, Selbstverwirklichung als das höchste Gut anzusehen, er ist auf Individualismus programmiert. Die Symbiose zweier Menschen, wie sie die Ehe bedeutet, fällt ihm schwer. Der moderne Mensch ist zu dauerhaften Beziehungen kaum noch fähig, da diese ja seine Freiheit einengen könnten, allenfalls sucht er sich einen "Lebensabschnittsgefährten". Immer mehr Deutsche heiraten gar nicht oder sehr spät, und etwa ein Drittel der Ehen landet vor dem Scheidungsrichter.

"Das Ende der traditionellen Lebensgemeinschaft ‘Ehe’ bedeutet die Erlösung und Befreiung der Frau aus jahrhundertelanger paternalistischer Knechtschaft", jubeln die PropagandistInnen der Emanzipation. Auch die Männer können sich nun voll und ganz auf ihr berufliches Fortkommen konzentrieren, ihnen entgeht nichts, da ein buntes kommerzielles Angebot zum "Abreagieren" sexueller Triebe bereitsteht. Nachdem sich der moderne Mensch so endlich aller Fesseln entledigt hat, steht er nun frei und herrlich da, kann tun und lassen, was er will.

Aber langsam geht ihm auf, daß doch etwas fehlt, daß er statt all der e-mail Chats, Smalltalks und flüchtigen Bekanntschaften ganz gerne einen richtigen Mann, eine richtige Frau hätte. In solchen Momenten singt der moderne Mensch keine Arien wie Mozarts Papageno, sondern er greift zur Feder und schreibt eine Kontaktanzeige.

Die Idee einer kleinen Werbeannonce zur – will man es boshaft ausdrücken – Vermarktung der eigenen Person ist nicht so neu, wie man vermutet. Schon 1732 bemühte sich ein "honettes Frauenzimmer", auf diesem Wege einen "guten Doctor oder Advocaten ledigen Standes" zu angeln. So er denn groß und wohl aussähe, bot sie sich damals in der Frankfurter Frag- und Anzeigenzeitung an, denselben zu heiraten, je eher je lieber! Die angekündigte 50.000 $- Erbschaft haben dabei die Suche gewiß erheblich beschleunigt.

Auch in unserer angeblich "postmaterialistischen" Zeit ist der Wink mit der Yacht, der Villa am Meer oder dem Sportwagen ein häufiges Stilmerkmal solcher Anzeigen. Zu höchster Perfektion, oder soll man sagen, zu höchster Stilblüte, brachten die Gattung Heiratsanzeige in Deutschland ohne Zweifel die Institute Gabriele Thiers-Bense und Claudia Püschel-Knies: "FIRST-CLASS-EHEFRAUEN in spe finden Sie IMMER BEI UNS" verkündet die Partnervermittlung Thiers-Bense, während Frau Püschel-Knies etwas bieder lächelt und sich über die "langjährige Erfahrung" freut, "mit der wir ’handverlesen‘ glückliche Ehen stiften". "Für Ihr Wohlbefinden" (als ideale Ergänzung zu Fußbodenheizung und Angorakatze vermutlich) hat man bei Thiers-Bense beispielsweise eine "elektrisierend schöne Schauspielerin" im Angebot. "Ihre transparente, stabile Persönlichkeit ist so beeindruckend wie ihre logische Intelligenz & sicheren Entscheidungen. Sie werden wünschen, stets von ihrem Frohsinn & heiter-schönen Lachen umgeben zu sein!" Wer würde da nicht mit Freuden der anschließenden fettgedruckten Aufforderung Folge leisten? "Öffnen Sie mit uns IHRE KOSTBARE PRIVATSPHÄRE jenen, die Ihre Dimension leben!" Ach, diese unbekannte sprachliche Dimension der "akademischen Elite", des weltweiten Hoch- und Geldadels, für Uneingeweihte ein Buch mit sieben Siegeln! Die strahlende junge Frau auf dem Foto sagt: "Feiner Stil ist die Krönung guten Verstandes" – jedoch an beidem scheint es hier zu mangeln.

Mit solch lyrischen Texten können die privaten Inserenten meist nicht konkurrieren. Folgender bescheidener Zweizeiler fand sich in der Badischen Zeitung: "Mann, Anfang 46, 1,80m, sucht Sie zwecks Heirat. Zuschrift Chiffre A9092068/t." Viel Glück! möchte man dem Mann zurufen. Hätte er sich doch bloß von der FAZ die kostenlose Broschüre "Erfolgreiche Ehe- und Partnerschaftswünsche" zukommen lassen! Da steht klipp und klar, was in eine Heiratsanzeige rein muß: (1) Alter, Familienstand, Glaubensbekenntnis, Größe, Gewicht, Haarfarbe. (2) Bildungsstand, Beruf, ortsgebunden?... Auch Schwächen, wie zum Beispiel Rauchen, oder Stärken, wie zum Beispiel Nichtrauchen oder Klavierspielen, sollte man nicht verschweigen. Und, meine Herren, Pfeifenrauchen oder Fußballfansein sind ebenfalls Schwächen!

Hat der folgende Inserent alles richtig gemacht: "Manfred 42/185, Witwer, Dipl.-Soz.Päd./Dipl.Psych. su. junggebl. niveauv. Dame..."? Wohl kaum, er hätte noch einige der FAZ-geprüften "ungewöhnlichen Formulierungen" einbauen müssen, etwas so originelles wie "Orpheus sucht Euridike" oder "Komm in das Land, wo der Feuervogel wohnt!" Wenn Manfred nun auch noch seine kleinen Schwächen wie "Ferrari-Fahren", "Kaviar-Essen" und "Schmuck-für-Freundin-kaufen" erwähnt hätte, dann wären ihm viele, viele Zuschriften sicher gewesen.

Seriöse Tageszeitungen weisen darauf hin, daß nur solche Inserate gedruckt werden, in denen der Wunsch nach einer dauerhaften Beziehung zum Ausdruck kommt. Ein so andeutungsreicher Text wie dieser wäre in der Welt oder FAZ undenkbar: "Du., w., bist im Innersten dominant veranlagt? Dann gib Dir einen Ruck! S. attr. Mann, 29, dkl.-haarig, Akad. Anf., sucht gepflegte Erziehung auf hohem Niveau! Gerne Anfängerin. 100% Diskretion garantiert!" (aus einer süddeutschen Studentenzeitung) Sollen wir dieser kryptischen Botschaft entnehmen, daß ein angehender Akademiker, leicht schüchtern, Nachhilfe in Sachen Tischmanieren oder Kleiderordnung wünscht? Gräfin Schönfeld (1 x 1 des guten Benehmens, Mosaik-Verlag, ca. 30 DM), bitte übernehmen Sie! (Helfen kann so einfach sein.)

Die Branche boomt, und neben alteingesessenen Instituten schlagen sich vermehrt kleine und kleinste Unternehmen um die Kunden, zum Teil mit recht windigen Angeboten. Wo früher der Kuppler-Paragraph mit empfindlichen Strafen drohte, da winken heute satte Prämien für eine erfolgreiche Vermittlung, eine gute Ehe hat halt ihren Preis. Wie lange dauert es noch, bis es auch bei solchen Geschäften Umtausch und Geld-zurück-Garantie gibt, falls der Traummann, die Traumfrau nicht gefällt? Der Kunde ist König …

Kehren wir lieber noch einmal zu Mozart und seinem Papageno zurück. Der Vogelfänger würde heute wegen der Federn gewiß als "schwer vermittelbar" gelten. Vermutlich stünde recht bald in einer Zeitung eine kleine Anzeige des Inhalts: "Symphatischer Vogelmensch, INTERNATIONAL BEKANNTER OPERNSÄNGER, sucht nettes Weibchen. Ich bin so ein Naturmensch, der sich mit Schlaf, Speis’ und Trank begnügt. Nicht besonders mutig oder tapfer, dafür eloquent und witzig, kinderlieb und treu."


 
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