© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Wo bleibt die Opposition?
von Dieter Stein

Die rot-grüne Bundesregierung nutzt den Windschatten des Kosovo-Krieges und will im Laufe des Mai den Doppelpaß – in leicht abgespeckter FDP-Version – durchpauken. Schröder und Fischer ahnen, daß die Öffentlichkeit durch die Bilder von Flüchtlingen, die vor serbischer Gewalt fliehen, geblendet ist und daß auch die Opposition keine Gegenwehr mehr zeigt. Es scheint so zu sein.

Wer wird sich jetzt in die Fußgängerzone stellen und Unterschriften gegen den Doppelpaß und massenhafte Discount-Einbürgerungen nach dem Gießkannenprinzip sammeln? Nein, im Moment wird jede Debatte über die Risiken der Einwanderung abgewürgt. Daß Deutschland hilft, daß die Deutschen privat viele Millionen spontan spenden angesichts des Flücht-lingselends – das ist eine großartige Sache. Daß die Bundesregierung wieder nach dem Konzept verfährt – wie schon mit den Bosnienflüchtlingen –, diese nach Deutschland zu transportieren und breit gefächert über das Land zu verteilen, ist aber ein Fehler. Von den Bosnien-Flüchtlingen ist bislang nur ein Bruchteil zurückgekehrt, eine große Zahl hat Gefallen am Auskommen in Deutschland gefunden und wird für immer bleiben wollen. So wird es auch mit den Flüchtlingen aus dem Kosovo gehen.

Wolfgang Schäuble hat nun Anfang der Woche erklärt, er wolle eine "Einigung" über die doppelte Staatsbürgerschaft mit der Regierung. "Vor dem Hintergrund des Kosovo-Konfliktes ist es derzeit nicht angemessen, die öffentliche Debatte über die problematischen Konsequenzen der angestrebten Neuregelung zu führen." Immerhin verneinte der CDU-Chef, daß damit ein Ende der Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpaß eingeleitet worden sei. Sie solle nur im Moment nicht weiter "forciert" werden, so Schäuble.

Es ist die Frage, ob die Union ihren Erfolg in ihrem beinahe pläbiszitär geführten Kampf gegen das Regierungsvorhaben verspielt – immerhin hat sie bislang über 4,5 Millionen Unterschriften gegen den Doppelpaß gesammelt und eindrucksvoll die Kampagnenfähigkeit der Opposition unter Beweis gestellt. Die Union steht vor dem schwierigen Problem, im Zuge des Kosovo-Krieges nicht mehr als politische Alternative wahrgenommen zu werden. Statt ununterbrochen in wilder Loyalität Scharping und Schröder auf die Schulter zu hauen, sollte die Union die Regierung daran erinnern, daß sie außer dem Milliarden verschlingenden Balkan-Abenteuer bisher nur Unruhe gestiftet hat – 630-Mark-Jobs, Steuerreform-Chaos, Doppelpaß, ... Hier ist dringend eine harte Polarisierung erforderlich, um Korrekturen zu ermöglichen. Dafür kann nur eine starke Opposition sorgen.


 
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