© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Wesley Clark
Mann im Schützengraben
von Kai Guleikoff

Dem 54jährige Nato-Oberbefehlshaber für Europa droht die vorzeitige Pensionierung. Davor hatte ihn bereits Richard Holbrooke gewarnt, als er 1994 dessen Assistent und militärischer Fachberater für Bosnien wurde. Doch der ehrgeizige Wesley Clark fürchtet das Risiko nicht. Nachdem die Operation "Allied Force" bereits vier Wochen anhält, sieht er keine Chance zur Umkehr.

Clark gehört zu den einflußreichsten Befürwortern der militärischen Lösung auf dem Balkan. Im Nato-Hauptquartier Mons bei Brüssel hatte er zu Jahresbeginn im Kreis befreundeter Offiziere mehrfach räsoniert: "Wir haben Luftpläne, Bodenpläne, Seepläne, doch nichts passiert! Den ganzen vergangenen Sommer haben wir nur zugeschaut, während die Lage immer schlimmer wurde."

Clark ist überzeugter Antikommunist und sieht sich in einem persönlichen Duell mit einem der "letzten roten Diktatoren". Diese "uramerikanische Gesinnung" ist Ergebnis seines persönlichen Entwicklungsweges.

Wesley K. Clark wurde am 23. Dezember 1944 in Chicago geboren und wuchs als Halbwaise in Little Rock/Arkansas auf. Als Junge war er beim "Soldatspielen" wegen seiner Findigkeit oft der Anführer und verkündete seinen Gefährten: "Eines Tages werde ich General!" Dem entgegen stand seine körperliche Schmächtigkeit. Deshalb verweigerte ein einflußreicher Freund der Familie, Senator Mc Clellan, auch das erbetene Empfehlungsschreiben für die Militärakademie West Point. Bei seinen Generalsfreunden wollte der Senator sich nicht lächerlich machen. Die Aufnahmekommission erkannte jedoch das "Soldatenblut" in ihm, und Clark schloß 1966 als Jahrgangsbester ab. Die höhere Offizierslaufbahn war damit gesichert, und ein Rhodes-Stipendium für ein weiterführendes Studium der Philosophie, Politik und Ökonomie in Oxford schloß sich an.

Als Infanterieoffizier zog er 1969 in den Vietnamkrieg. Hier lernte Clark die Gefahren des Bodenkrieges im Sinne des Begriffes "hautnah" kennen. Bei einem Nahkampf zerfetzte der Feuerstoß aus einer vietnamesischen Kalaschnikow seine rechte Körperseite. Als Schwerverwundeter wurde Clark 1970 in die Heimat ausgeflogen. Bei der Verleihung des Silver Star, einer hohen Tapferkeitsauszeichnung, sagte er: "Vietnam war mir eine Lektion über die Courage von Soldaten und die Bereitschaft, unter Feuer an die Front zu gehen. Das werde ich nie vergessen." Nach seiner vollständigen Genesung erfolgte der Aufstieg zu einem der jüngsten Brigadegenerale der amerikanischen Militärgeschichte. Als Holbrooke ihn warnte, daß Bosnien Clark entweder den vierten Generalsstern bringen würde oder die vorzeitige Pensionierung, war er bereits als Fünfzigjähriger Drei-Sterne-General und Direktor für strategische Planung bei den Vereinten Stabschefs im Pentagon. Den vierten Stern trägt er jetzt.


 
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