© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/99 23. April 1999


Ausstellung: Historisches Museum zeigt Mode im Dritten Reich
"Schick, schön und klug"
Claus-M. Wolfschlag

Einen Blick in die Vielseitigkeit und Liberalität der Modewelt während der NS-Zeit präsentiert momentan das Historische Museum in Frankfurt am Main mit der Ausstellung "Frankfurt Macht Mode", die sich mit der Arbeit des Frankfurter Modeamtes auseinandersetzt.

1933 richtete die Stadt Frankfurt auf persönliches Betreiben des Oberbürgermeisters Friedrich Krebs ein kommunales Modeamt ein, das eine "deutsche Mode" propagieren sollte. Mit Hilfe des Modeamtes versuchte Frankfurt, ideologisch und praktisch die deutsche Führung in Bekleidungsfragen zu übernehmen.

Zum einen entstanden Kleider für den Bund Deutscher Mädel, den Reichsarbeitsdienst, für Landfrauen und Rüstungsarbeiterinnen, zum anderen versuchte das Modeamt mit Modellen der "Haute Couture" die gehobene Käuferschicht zu erreichen, die sich an den Vorbildern der internationalen Eleganz jener Jahre orientierte.

Obwohl weiterhin internationale Einflüsse präsent blieben, sollten deutsche Ideen und Materialien eine Abkehr von Mode-Importen, vor allem aus Paris, und die Schaffung einer stabilen deutschen Textilwirtschaft unterstützen. Auch die Mode war demnach von deutschen Autarkiezielen beeinflußt. "Neue Werkstoffe", Kunstfasern, und deutsche Spinnstoffe wurden somit gerne als Materialien verwandt, vor allem infolge der Rohstoffknappheit während der Kriegsjahre.

Raffinierte Schuhe mit Plexiglasabsätzen wurden ebenso entwickelt wie sehr modern wirkende Strandkleidung aus gefärbtem Fischernetz oder Schuhe aus Nordsee-Fischhaut.

Vorstellungen von einer deutschen Frau im Dirndl mit Gretchenfrisur entsprachen mitnichten der Realität der dreißiger und vierziger Jahre. Das Spektrum reichte von Parteiuniformen über leichte Sportkleidung, schlichte, tragbare Alltagskluft, bis zu kostbaren Abendroben für die Damen der gehobenen Gesellschaft, die sich an der Linie der damals aktuellen "neuen Weiblichkeit" orientierten. Die Textilsammlung des Historischen Museums wirft ein Licht auf die Widersprüchlihckeit weiblicher Rollenbilder im Nationalsozialismus. Ideologische Vorgaben wurden nicht als radikale Gängelung der Formen verstanden: "Nicht die äußere Aufmachung interessiert, sondern allein die Haltung und Leistung", erklärte Propagandaminister Joseph Goebbels. "Die deutsche Frau soll schick sein, schön und klug. Der Gretchentyp ist überwunden", ergänzte seine Ehefrau Magda.

Ursprünglich war das Modeamt im eleganten "Schloß der Mode" in der Neuen Mainzer Straße untergebracht. Als dieses 1944 ausgebombt wurde, zogen die Schülerinnen des Amtes in eine alte Steinbruchbaracke im Westerwaldkreis, um dort ihre Arbeit fortzusetzen. Die Entwürfe des Modeamtes gingen niemals in Serie und konnten auch nicht die Führerschaft Berlins, Münchens und Wiens brechen.

Anhand zahlreicher Originalobjekte – Kleider, Schuhe, Hüte, Accessoires –, Modefotografien und -zeichnungen, Plakate und Broschüren bemüht sich das Historische Museum Frankfurt, dem Besucher nun die Kleiderwelt jener Jahre nahezubringen. Nor allem die Modefotografie jener Jahre zeigt das vielseitige Spannungsfeld zwischen neoklassizistischer Suche nach Formvollendung und avantgardistischem Experiment mit neuen Blickwinkeln.

Ein Teil der Ausstellung zeigt die Kehrseite der deutschen Modeblüte. Es wird dokumentiert, wie die stark in der Modewirtschaft präsenten jüdischen Geschäftsleute der Bekleidungswirtschaft im Zuge der "Arisierung" ihrer Betriebe zur Geschäftsschließung oder zum Verkauf gezwungen, enteignet, ausgebürgert oder in Konzentrationslager deportiert wurden.

Daß dies allerdings unter dem von Peter Reichel entwickelten Schlagwort des "schönen Scheins" stattfinden muß, ist ein Entgegenkommen an den volkspädagogischen Zeitgeist in einer ansonsten sehr sachlich und anschaulich gehaltenen Präsentation. Keine Zeit und keine Gesellschaft hat einen "schönen Schein", es sei denn, man wolle den Blick nur aus der einseitigen Perspektive ihrer Opfer gelten lassen. Schönheit und Häßlichkeit, Freude und Grauen existieren immer gleichzeitig, jede Zeit hat ihre Ästhetik und ihren Schrecken in sich.

 

Die Ausstellung "Frankfurt Macht Mode" ist noch bis zum 25. Juli im Historischen Museum, Saalgasse 19, 60311 Frankfurt am Main, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr. Eintritt: 8 DM


 
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