© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/99 30. April 1999


Katholische Kirche: Kardinal Ratzinger zelebrierte ein Pontifikalamt in Weimar
Wider den Ungeist des Konzils
Karl-Peter Gerigk

Die Luft ist durchtränkt von einem lieblichen Geruch des Weihrauchs. Viele Ministranten und Priesterbrüder in traditionellen, etwas barock anmutenden Gewändern stehen um den Kardinal, der an seinem Platz vor dem Altar über das seinem Rang entsprechende kurienrote Kleid das Meßgewand für das Pontifikalamt anlegt. Diese Zeremonie ist nur wenigen der Besucher der Herz-Jesu-Kirche in Weimar noch vertraut. Nur die Älteren, die vor der Liturgiereform von 1962 schon bewußt die Kirchen besuchten, können mit der Sakralität des Vorgangs etwas anfangen.

Es ist der Präfekt der Glaubenskongregation aus Rom, Josef Kardinal Ratzinger, hinter dem Papst der zweitmächtigste Mann des Vatikans in Fragen der Rechtmäßigkeit des Glaubens und der Glaubensausübung, der Ende April 1999 zum ersten Mal seit der Liturgiereform öffentlich in Deutschland von offizieller römisch-katholischer Seite her eine Messe im alten römischen Ritus, das heißt also in lateinischer Sprache und der Gemeinde abgewandt, zelebrieren wird.

Die Zelebration durch den Kardinal ist ein Novum, denn selbst so konservative deutsche Bischöfe wie der Fuldaer Bischof Johannes Dyba scheinen nicht bereit zu sein, Organisationen wie die Priesterbruderschaft St. Petrus, die sich für den alten Ritus engagieren, oder die Laienvereinigung "Pro Missa Tridentina", zu deren Jahreshauptversamlung der Kurienkardinal aus Rom angereist war, offiziell zu unterstützen.

Als klassischen römischen Ritus bezeichnet man den alten lateinischen Ritus der katholischen Kriche. Früher wurde dieser auch als tridentinischer Ritus bezeichnet. Der Ritus, wie er in Weimar gefeiert wurde, ist jedoch weit älter als das Konzil von Trient. Er wird nach einer Empfehlung von Kardinal Ratzinger als "klassisch-römischer Stil" bezeichnet. Verwendet werden bei der Feier der heiligen Messe immer die liturgischen Bücher aus dem Jahre 1962. Sie sind die letzte Edition vor der liturgischen Erneuerung des Missale Romanum, also der Frage, wie eine Messe bis heute zu halten sei. In "Pro Missa Tridentina" sind Menschen vereinigt, die in dem alten römischen Ritus die für sie eigentliche Form der Feier der heiligen Messe sehen. "Pro Missa Tridentina" ist eine Gründung aus dem Jahre 1990. Priester und Laien aus dem Stuttgarter Raum wollten den alten römischen Ritus pflegen. Wegen des großen Interesses konnte sich die Vereinigung schnell über ganz Deutschland ausbreiten.

Eine Laienvereinigung der "Pro Missia Tridentina" gibt es auch in Berlin. Nachdem Papst Johannes Paul II. mit dem "Motu proprio Ecclesia Dei" 1988 die Bischöfe zu einer großzügigen Genehmigung von heiligen Messen im klassischen Ritus aufgefordert hatte, wird auch in Berlin mit der Genehmigung des Erzbischofs von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, seit dem 17. Januar 1993 den traditionsverbundenen Katholiken die Möglichkeit eingeräumt, wieder Messen im klassischen Ritus zu feiern. Ein Ritus, der 1500 Jahre lang die katholische Kirche geprägt hat.

 

Ein kirchlicher Ritus mit 1500 Jahren Tradition

Viele Besucher der traditionellen Messen in der Kapelle St. Josef im Bezirk Prenzlauer Berg haben ihre ganz persönlichen Empfindungen und Gründe, die Messe zu besuchen. Peter Iljunas ist von der christlich-orthodoxen Kirche zur römisch-katholischen konvertiert. "Ich habe das vor etwa zwei Jahren ganz bewußt gemacht. Nach meiner Überzeugung sind nur etwa 20 Prozent derer, die sich katholisch nennen, heute noch in diesem Glauben.

Oft wird in der neuen Meßordung improvisiert und Teile der Messe während der Zeliebration erläutert. Der Priester ist der Gemeinde zugewandt. Diese kann jedoch nicht angebetet werden. Christus wird angebetet. Der Blickkontakt mit dem Priester während der Wandlung ist geistlich pervers", betont Iljunas. Katrin Müller ist aus der protestantischen Kirche konvertiert: "Ich habe einen katholischen Mann geheiratet und versprochen, meine Kinder katholisch zu erziehen. Das führte dazu, daß ich mich mehr und mehr mit dem katholischen Glauben auseinandersetzte, und ich habe festgestellt, daß das Gesetz des Betens nicht immer dem Gesetz des Glaubens entspricht. Es ist für mich zum Beispiel nicht zu verstehen, daß Mädchen Meßdiener sein können. Denn das Ministrantenamt ist zu sehen auch als eine Vorstufe zum Priesteramt. Hier offenbart sich ein Widerspruch – denn Frauen können in der katholischen Kirche keine Priester werden. Auch ich lehne das Priesteramt für Frauen ab. Gott hat Mann und Frau geschaffen, und hierin offenbart sich eine Schöpfungsordnung, bei der Mann und Frau ganz bestimmte Aufgaben haben. Gott hat seinen Sohn – nicht seine Tochter – gesandt. Christus war ein Mann, und der Priester repräsentiert Christus am Altar. Dies kann keine Frau sein", sagt Frau Müller.

Hierbei zeigt sich ein mit der Tradition verknüpftes und offensichtlich nicht emanzipatorisches Bild der Frau innerhalb der Familie und des Glaubens. "Frauen vesuchen heute oft dem Mann ähnlich zu werden, anstatt ihrer naturgegebenen Art treu zu bleiben. Das Eindringen des Feminismus in die Kirchen ist ein Problem. Wenn ich Männer nachäffen muß, habe ich kein Selbstbewußtsein als Frau. Im traditionellen Glauben fühle ich mich besser aufgehoben, da ich hier als Frau anerkannt bin, anstelle Männer nachzuäffen", so Frau Müller.

Sekretär der Laienvereinigung "Pro Missa Tridentina" in Berlin ist Ulrich Bork. Die Gottesdienstgruppe – "Gemeinden" will man aufgrund von Empfindlichkeiten auf bischöflicher Seite in Berlin nicht sagen – ist auf die Mitarbeit vieler Laien angewiesen, denn es werden nur wenige Unterstützungpersonen vom Bischof geschickt. Dies gilt für den Küsterdienste, Zelebrationen genauso wie für die Ministrantenausbildung.

Exkommunikation wegen unrechter Bischofsweihe

Papst Johannes Paul II. verdeutlichte schon 1984, daß er die Möglichkeit des Gebrauchs der liturgischen Bücher des klassischen römischen Ritus anerkennt. 1988 rief der Papst in seinem Schreiben "Ecclesia Dei" zur großzügigen Umsetzung seiner Ansichten auf. Sein erklärtes Ziel sei es, den traditionsgebundenen gläubigen Katholiken eine Heimat in der gottbefohlenen, rom-treuen Kirche zu geben. Dies bezieht sich vor allem auf die Bewegung um den konservativen französischen Erzbischof Lefebvre, der 1988 vier Bischöfe weihte, um die traditionelle Weiterführung seiner Bewegung zu gewährleisten, und damit gegen kanonisches Recht verstieß. Er wurde in der Folge exkommuniziert. Dennoch hält sich in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Österreich die Priesterbruderschaft St. Pius, die in ihrer Zielsetzung auch dem römischen Ritus einen besonderen Stellenwert geben will. Gerade der Drang nach politischer Mitsprache und Einfluß ist es, der die Bruderschaft St. Pius kennzeichnet. Es wird nicht davon ausgegangen, daß die Kirche in ihren Geboten sich nur in dem kirchlich sakralen Raum bewegen dürfe, sondern der christliche Glaube müsse auch von staatlicher Seite aktiv und personell in die Welt hineinwirken. In Konsequenz widersprechen die Forderungen von St. Pius, so wie sie sich in der Nachfolge Lefebvres offenbaren, jedoch dem neuen laizistischen Staatsverständnis, das sich in Europa verbreitet hat.

Die unrechtmäßigen Bischofsweihe von Erzbischof Marcel Lefebvre am 30. Juni 1988 war der Anlaß der Bemühungen der Priesterbruderschaft St. Petrus. Es waren zehn ehemalige Mitglieder der Priesterbruderschaft St. Pius, die nach der Exkommunikation Lefebvres dennoch an dem traditionellen Stil festhalten wollten. Durch Kardinal Mayer wurde St. Petrus dann auch der Gebrauch der liturgischen Bücher erlaubt, die vor 1962 Geltung hatten. Die Priesterbruderschaft konnte ein Seminar zur Ausbildung ihres Nachwuchses in Wigratzbad im Allgäu einrichten.


 
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