© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/99 30. April 1999


Oper: Zwei sehr verschiedene Aufführungen in Rom
Heiteres und Ernstes
Julia Poser

Ein nächtlicher Regen hat die Ewige Stadt blankgeputzt, die spanische Treppe ist in ein rosa Blütenmeer verwandelt, und die Touristenschar ist, außer in den vatikanischen Museen, noch nicht so gewaltig wie später im Jahr. Bis zum letzten Platz füllt aber ein musikverständiges, elegant gekleidetes Publikum das traditionsreiche Teatro dell’ Opera di Roma.

Vincenzo Bellinis tragische Oper "Norma" gilt als Höhepunkt der italienischen romantischen Oper des 19. Jahrhunderts. Große Chorszenen, herrliche Arien, zwei unübertreffliche Duette und eine subtile Orchesterbehandlung haben "Norma" zu einer der beliebtesten Opern des Meisters des Belcanto gemacht. Wagner und Verdi waren große Bewunderer dieses Werkes mit seiner schlichten Melodik wie auch leidenschaftlichem Pathos.

Giorgio Marini inszenierte die Geschichte um die zwischen Pflicht und Liebe hin- und hergerissene Druidenpriesterin Norma. Obwohl ihm einige eindrucksvolle Szenen gelangen, blieb das Ganze aber eher statuarisch. Für die breite und tiefe Bühne baute Mauro Carosi gewaltige rostrote Tempelwände auf, die eher zu einer "Elektra" als zum heiligen Hain des Gottes Irminsul gepaßt hätten. Rostrot sind auch die meisten Kostüme von Odette Nicoletti.

Die Amerikanerin Sharon Sweet als Norma erwies sich als würdige Nachfolgerin der großen Interpretinnen verganger Jahrzehnte. Wuchtig in Stimme und Gestalt beherrschte sie vom zartesten Piano bis zum hochdramatischen Ausdruck alle Register. Warum die Mezzopartie der jungen Adalgisa einem Sopran anvertraut wurde, bleibt ein Geheimnis; denn die zwar makellos schön singende Angeles Blancas Gulin unterschied sich in den zwei großen Duetten der beiden Frauen so wenig von Sharon Sweets Stimme, daß der Reiz des Kontrastes leider verloren ging. "Sono troppo iguale" (sie sind zu gleichartig) bemerkte mein Nachbar enttäuscht.

Den römischen Prokonsul Pollione sang der Armenier Gegam Grigoriam mit gutgeführtem, heldischen Tenor. Giacomo Prestias schwarzrollender Baß war ein würdiger Druidenpriester Oroveso. Monica Minarelli machte viel aus der kleinen Partie der Clotilde, der Hüterin von Normas und Polliones heimlichen Kindern. Mit ihrem strahlenden Mezzo wäre sie eine ideale Adalgisa gewesen. Ganz großartig der Chor der keltischen Soldaten, die stimmstark und kriegerisch sangen, mit ihren rasierten Schädeln und den ebenfalls rostroten Gewändern aber eher buddhistischen Mönchen glichen. Temperamentvoll und kontrastreich dirigierte Massimo Zanetti das Orcestra dell’Opera.

Nur wenige Schritte vom Opernhaus entfernt liegt das Teatro Nazionale, wo die bezaubernde komische Oper "La Prova di un’ Opera seria" (die Probe einer ernsten Oper) aufgeführt wird. Über deren Komponisten Francesco Gnecco, vermutlich 1768 in Genua geboren, ist nur wenig bekannt. Er war Paganinis Geigenlehrer und schrieb 26 Opern. Die "Opernprobe" von 1805 ist eine musikalisch reizvolle Parodie auf Cimarosas Opera seria "Die Horazier und die Curazier" aus dem Jahr 1796. Auf dieser Probe geht es ähnlich turbulent zu wie in der auch in Deutschland bekannten Buffa Donizettis "Viva la Mamma".

Ein etwas zweifelhaftes Opern-Ensemble will Cimarosas ernste Oper proben, doch nichts klappt: Die Primadonna, der Tenor und der Komponist streiten sich, der Kastrat ist krank und kommt gar nicht. Unbekümmert und geräuschvoll stellen Bühnenarbeiter Requisiten auf und wechseln die Kulissen. In dem ganzen Durcheinander versuchen die Tänzer ihre Pas. Alle sind empört über die billigen Kostüme. Zum Schluß nehmen sie sich aber vor, morgen ernsthaft zu proben. Mit feinem Witz und viel Situationskomik hat Lorenza Cantini diese "Farsa" werkgetreu in Szene gesetzt. Zum großen Erfolg verhelfen vor allem die spiel- und sangesfreudigen Damen Stephanie Bernard als wandlungsfähige, höhensichere Primadonna und Simona Todaro, die als Secondadonna ebenfalls mit einer Bravour-Arie loslegt. Als Tenor hat Nicola Pamio den weichen italienischen Schmelz, während Antonio de Angelis, Claudio Ottino und Massimiliano Chiarolla tonschön und engagiert Komponist, Dirigent und Textdichter darstellten. Herrlich komisch die Tänzer und Tänzerinnen in ihren antiken Rüstungen. Mit dem Orchester brachte Michele Carulli gekonnt Parodie und Ernsthaftes der Partitur.

Ein bemerkenswerter Fund und eine gelungene Aufführung. Ein großartiger Spaß, an dem auch der des Italienischen Unkundige seine Freude hat, da im Programmheft eine ausführliche Inhaltsangabe in deutscher Sprache steht.


 
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