© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Festspiele: Klassiker-Aufführungen unter freiem Himmel
Die Jungfrau auf dem Markt
Gerd Sauer

Alle Jahre wieder wird in Scheunen, auf Kirchhöfen und Marktplätzen zur Freude der Bürgermeister (Prestige) und der Stadtkassen (gute Einnahmen) festgespielt. Fast jeder kleine Ort bietet irgendeinen Klassiker zur freien Besichtigung an. Die sieben bedeutendsten Festspielorte, die dann auch die bekanntesten Regisseure und Schauspieler in jeder Saison engagiert haben, haben sich zu einem Festspielverbund zusammengefunden. Bad Hersfeld hat nach dem zwar geschäftlich erfolgreichen, aber dafür unglücklich taktierenden Volker Lechtenbrink und dem gänzlich erfolglos agierenden Schweriner Ingo Waszerka nun seinen ehemaligen Intendanten Peter Lotschak wieder zurückbekommen. Der wartet auch gleich mit prominenten Theaternamen am Regietisch auf. Hans Gratzer, Intendant des Wiener Schauspielhauses, inszeniert am 9. Juni die "Evita" mit Helen Schneider, Carl Hermann Risse, hat am 17. Juni mit Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" Premiere. TV-Star Anja Kruse spielt in der Inszenierung des Intendanten schließlich in Molieres "Bürger als Edelmann".

Schwäbisch Hall hat seit über 30 Jahren denselben Intendanten (Achim Plato). Der kommt dieses Jahr auf dem Marktplatz vor der Kirche St. Martin ganz französisch: am 16. Juni Schillers "Jungfrau von Orleans" und am 24. Juni seine Wiederaufnahme des "Glöckner von Notre Dame", und schließlich darf am 28. Juli der "Cyrano" dichten und fechten.

Feuchtwangen hält seinen heimeligen Kreuzgang für einen echten und einen modernen Klassiker bereit. Festspielintendantin Lis Verhoeven, seit Jahrzehnten bekannte TV-Schauspielerin, inszeniert am 18. Juni Kleists "Kätchen von Heilbronn". Am 25. Juni darf dann der einstige Berliner Schillertheater-Schauspieler Hartmut Reck als "Hauptmann von Köpenick" kommandieren, TV-Bösewicht Dirk Galuba spielt den Bürgermeister Obermüller.

Die Felsenbühne von Wunsiedel bietet fast überdimensionale Spielmöglichkeiten. Hans Peter Doll, häufig eingesprungener Intendant auf zahlreichen deutschen Bühnen, bringt in diesem Jahr den "Sommernachtstraum" heraus (25. Juni), läßt Günther Fleckenstein Zuckmayers unsterblichen "Fröhlichen Weinberg" inszenieren (mit Al Bundy-Synchronsprecher Rüdiger Bahr). Und zeigt am 28. Juli etwas eher Festspielgewohntes: nämlich Becketts "Warten auf Godot".

Vor zwanzig Jahren eröffnete der Schauspieler Kurt Müller-Graf vor der Schloßkulisse von Ettlingen bei Karlsruhe seine Festspiele. Seit einigen Jahren ist Fritzdieter Gerhards Intendant, der ein Mammutprogramm vorbereitet hat: eine "Jahrhundertrevue" (28. Mai), "Kiss me Kate" (11. Juni), "Sommernachtstraum" (25. Juni), "Elektra" (24. Juli) und dem Genius Loci entsprechend das "Schwarzwaldmädl" (06. August).

Die nördlichsten Festspiele im Siebener-Verbund sind im niedersächsichen Bad Gandersheim. Intendant Georg Immelmann inszeniert auf dem Domplatz das späte sechziger "Hair" (2. Juli). Eine Woche vorher, am 24. Juni, darf "Hamlet" Rache üben.

Schon im 35. Jahr tönt es aus der Götzenburg in Jagsthausen, das gern gebrauchte Zitat. Zahlreiche Größen von Walter Richter bis Götz George, von Wolfgang Reichmann bis Raimung Harmstorf haben schon in Ritterrüstungen gefochten. Dieses Jahr macht das der Intendant Jochen Striebeck, ansonsten Ensemble-Mitglied an Dieter Dorns Münchener Kammerspielen, selbst. Torsten Bischof inszeniert am 17. Juni. Seit vielen Jahren aber gibt es neben dem "Götz" noch ein Zusatzprogramm. In diesem Fall ist es die "Fledermaus" (mit Orchester) am 8. Juli und am 4. August Goldonis "Diener zweier Herren".

Bad Hersfeld, 8.06.–1.08. (Tel.: 0 66 21 / 7 20 66; Schwäbisch Hall, 15.06.–15.08. (Tel.: 07 91 / 75 13 24); Feuchtwangen, 14.06.–14.08. (Tel.: 0 98 52 / 90 40); Wunsiedel, 8.06.–24.08., Tel.: (0 92 32 / 60 21 62); Ettlingen, 28.05.–29.08. (Tel.: 0 72 43 / 1 01 01); Bad Gandersheim, 24.06.–8.08. (Tel.: 0 53 82 / 730); Jagsthausen, 17.06.–22.08. (Tel.: 0 79 43 / 9 12 34 59)


 
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