© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/99 07. Mai 1999


Carl Schmitt: Briefwechsel mit einem seiner Schüler
Fritz und der gerechte Krieg
(JF)

Fritz: Jetzt sage ich aber: Nie wieder Krieg!

Lehrer: Bravo, mein lieber Fritz! Aber hör mal bitte einen Augenblick zu! Wir sind uns doch wohl darüber einig, daß man Recht tun muß und Unrecht nicht dulden darf?

F: Gewiß.

L: Verbrechen müssen bestraft, Übeltäter müssen unschädlich gemacht werden.

F: Klar.

L: Nun kommt es leider vor, daß Verbrecher die Macht an sich reißen, sei es mit List und Tücke, sei es mit Gewalt. Es gibt Übeltäter, die ganze Länder und Völker beherrschen.

F: Schlimm genug

L: Die müssen dann natürlich um so gründlicher bestraft und unschädlich gemacht werden.

F: Unbedingt.

L: Wenn nun so ein mächtiger Verbrecher sich wehrt, muß man vielleicht sogar Krieg mit ihm führen.

F: Krieg?

L: Jawohl Fritz, Krieg. Hab nur keine Angst. Eigentlich ist das gar kein Krieg. Es ist nur eine Art Rechtsverwirklichung. Es ist dasselbe wie eine Zwangsvollstreckung. So etwas machen die Vollstreckungsbeamten jeden Tag.

F: Na ja, aber doch nicht mit Atombomben.

L: Sicher nicht. Aber das macht juristisch keinen Unterschied. Du sollst ja gerade juristisch denken lernen. Juristisch ist das gar kein Krieg.

F: Wenn aber auf beiden Seiten große Heere mit allen Waffen gegeneinander kämpfen? Das soll kein Krieg sein?

L: Meinetwegen nenn es Krieg. Du mußt dann jedenfalls zugeben, daß es ein gerechter Krieg und eine gute Tat ist.

F: Schön.

L: Die guten und gerechten Menschen tun sich zusammen und bestrafen die bösen und ungerechten.

F: Sehr schön.

L: Wenn dann der Bösewicht besiegt ist, muß er büßen.

F: Mit Recht.

L: Bedenke aber auch, lieber Fritz, die Unkosten eines solchen Krieges. Der Gerechte kann doch nicht umsonst Krieg führen. Bedenke ferner, daß solche Verbrecher immer wieder rückfällig werden. Der Gerechte muß sich also auch gegen Rückfälle sichern. Das alles kostet heutzutage viel Geld. Wir müssen uns also gründliche Entschädigungen, Wiedergutmachungen, Schmerzensgelder, Kautionen, Pfänder und Sicherungen geben lassen.

F: Ausgezeichnet.

L: Siehst du, mein lieber Fritz, das ist doch alles gar nicht schwer zu begreifen. Wer es nicht begreift, ist offenbar dumm oder frech. Vermutlich ist er selber ein Verbrecher, den wir am besten gleich im Voraus unschädlich machen.

F: Bravo!

L: So, Fritz, jetzt können wir schon unsere ersten volkerrechtlichen Grundsätze aufstellen. Also: Der Krieg wird abgeschafft und streng verboten. Nur gerechte Kriege sind erlaubt. Sie sind sogar Pflicht jedes anständigen Menschen. Gerechte Kriege sind solche Kriege, die von gerechten Menschen aus einem gerechten Grunde gegen solche Menschen geführt werden, die Unrecht tun.

F: Das kann man wohl sagen: Gerechte Kriege sind solche Kriege, die von solchen Menschen gegen solche geführt werden. Vollkommen klar.

L: Du siehst, mein lieber Fritz, das Völkerrecht ist gar nicht so schwer. Das schwierigste Problem haben wir jetzt schon gelöst. Ich kann dir sagen, daß alle großen Denker aller Zeiten unsere Auffassung teilen. Theologen aller Konfessionen, Philosophen, Juristen und Menschenfreunde aller Art gehen mit uns einig.

F: Wunderbar. Dann wird es ja wohl bald Frieden geben.

L: Wird es auch. Es gibt nur noch einige Schädlinge und Verbrecher. Sie sind das letzte Hindernis des Weltfriedens. Gegen sie werden wir demnächst einen gerechten Krieg führen.

F: Großartig! Also, auf in den gerechten Krieg!

Weihnachten 1948

Dieser Text stammt aus dem Buch "Carl Schmitt – Briefwechsel mit einem seiner Schüler", hrsg. von Armin Mohler in Zusammenarbeit mit Irmgard Huhn und Piet Tommissen, Akademie Verlag, Berlin 1995.

 

Carl Schmitt, 1888 bis 1985, Staatsrechtler, war von 1921 bis 1945 Professor in Greifswald, Bonn und Berlin. Nach dem Krieg lebte er als Schriftsteller in Plettenberg. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a. "Politische Theologie", "Verfassungslehre", "Der Begriff des Politischen", "Theorie des Partisanen".


 
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