© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/99 14. Mai 1999


Kolumne
Letzter Ruck
von Ulrich Schacht

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hat sich der siebte Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Roman Herzog sein Name und Christdemokrat aus den Territorien südlich der Mainlinie, ein weiteres und vielleicht letztes Mal einer seiner "Ruck"-Bewegungen hingegeben, die er zuvor der deutschen Wiedervereinigungsgesellschaft und ihren diversen Managementklüngeln in Politik, Wirtschaft, Medien, Bildung, Kirchen und Armee immer wieder anempfohlen hatte.

Sie galt, wenn man so will, einer noch unbewältigten Personalie aus den guten alten Zeiten der Bonner Republik, als alles Streben ihrer Politiker letztlich darauf hinauslief, den deutschen Teilungs-Frieden schlicht ins Unendliche zu verlängern, auf Heldentaten von der Sorte also, die auch ein Erich Honecker und sein Spezialist für inneren Frieden, Erich Mielke, durchaus zu goutieren, wenn nicht gar permanent anzustiften wußten.

Ein berühmter Friedensheld jener Jahre war der sehr einflußreiche SPD-Politiker und langjährige Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Karl Wienand. Lange Zeit rechte Hand des Vorsitzenden und Zuchtmeisters der SPD-Fraktion, Herbert Wehner, weiß man spätestens seit seiner Verurteilung als DDR-Agent im Jahre 1996, daß er zur selben Zeit eine von vielen westdeutschen linken Händen Mielkes gewesen ist und mit allen beiden Händen Agentenlohn in Millionenhöhe angenommen hat.

Natürlich hat er von den wahren Auftraggebern seiner östlichen Kontaktmänner nichts gewußt. Natürlich ist er schwerkrank über diese ganze traurige Geschichte geworden und auch deshalb ein Freund Helmut Schmidts geblieben. Klug wie er nun einmal ist, weiß der hanseatische Altkanzler auch in diesem Fall alles besser, mindestens aber besser als die Stasi-Akten. Ein Gnadengesuch für den Verurteilten beim Staatsoberhaupt war da nur Formsache, hatte es doch ein Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf tatsächlich gewagt, Wienand für knapp zwanzig Jahre speziellen "Friedensdienst" zu dreißig Monaten Haft zu verurteilen.

Roman Herzog hat Helmut Schmidt et alii verstanden, sich einen Ruck gegeben und Maximal-Gnade vor Minimal-Recht ergehen lassen. Symbolischer konnte das westdeutsche Schmierenstück "Wienand, der Held" nicht zu Ende gehen. Roman Herzogs Amtszeit als Bundespräsident allerdings auch nicht.

 

Ulrich Schacht ist politischer Publizist und Schriftsteller. Er lebt in Schweden.


 
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