© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/99 14. Mai 1999


Länderfinanzausgleich: Spätestens 2004 steht eine Neuregelung an
Belohnung für den Schlendrian
Ronald Schoeder

Das Ziel ist löblich: in ganz Deutschland sollen gleiche Lebensbedingungen herrschen. Erreicht werden soll dies durch den Länderfinanzausgleich. Die wirtschaftlich erfolgreicheren Bundesländer müssen die weniger erfolgreichen durch Transferzahlungen auf 95 Prozent der mittleren Finanzkraft aller Bundesländer heben. Doch damit nicht genug. Aus dem Bundeshaushalt fließen weitere Ergänzungszuweisungen in Milliardenhöhe an die ärmeren Bundesländer. Im Ergebnis stehen diesen ohne eigenes Zutun mehr Mittel zur Verfügung, als sie durch Sparanstrengungen und eine innovative Wirtschaftspolitik mittelfristig erwirtschaften könnten.

Dementsprechend gering sind deren Bemühungen, die eigenen Einnahmen zu steigern, würde dies doch im fast selben Umfang die Zuweisungen reduzieren. Das geht soweit, daß einzelne Bundesländer kein Interesse an der personellen Aufstockung der Steuerfahndung haben, weil dieses Personal zwar durch das Land bezahlt werden muß, die Steuermehreinnahmen aber durch Verringerung der Zuweisungen dem Land keine zusätzlichen Mittel bringen würden. Je katastrophaler der Landeshaushalt, desto großzügiger fließen die Mittel. Schuldenmachen wird belohnt, seriöse Haushaltspolitik bestraft. Erst Ende des vergangenen Monats beschloß der Bundestag die Zahlung von 12,7 Milliarden Mark Ergänzungszuweisungen bis zum Jahre 2005 an das Saarland und Bremen. Beide Bundesländer haben die mit Abstand höchste Kreditfinanzierungsquote. Im Haushaltsjahr 1998 liegt in Bremen der Anteil der Haushaltsausgaben, der durch Kredite abgedeckt wird, bei fast 20 Prozent, im Saarland bei über 18 Prozent. Trotzdem liegt der Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben in Bremen nur bei etwas über 14 und im Saarland gar nur bei knapp über 11 Prozent. Bayern, gemeinsam mit Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen einer der größten Zahler im Finanzausgleich, hat eine Investitionsquote von fast 16 Prozent bei einer Kreditfinanzierungsquote von lediglich knapp über 14 Prozent.

Kein Wunder, daß Bayern, Baden-Württemberg und Hessen über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht versuchen, sich ihrer Zahlungspflichten zu entledigen. Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, daß das Ziel dieser Bundesländer letztlich die Aufkündigung der Solidarität im föderalen Staatswesen Deutschlands ist. Das kann nicht die Lösung sein. Der Zusammenhalt Deutschlands erfordert angeglichene Lebensverhältnisse. Nur so kann die föderale Struktur unseres Landes ein Vorteil bleiben. Anderenfalls trägt der Föderalismus den Keim des Partikularismus und der Separation in sich. Zahlungen der wirtschaftlich erfolgreicheren Bundesländer sollten für die Empfänger mit Auflagen verknüpft werden. Denn es gibt durchaus Beispiele für den erfolgreichen Einsatz der Mittel des Finanzausgleiches. Sachsen, nach Berlin zweitgrößter Empfänger, hat mit rund 3,6 Prozent die niedrigste Kreditfinanzierungsquote und mit über 30 Prozent die höchste Investitionsquote aller Bundesländer.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. So forderte der designierte Bundespräsident Johannes Rau (SPD), daß die Zahlungen an die neuen Bundesländer überdacht werden müssen. Immerhin sei die Arbeitslosigkeit in Dresden niedriger als in Duisburg. Natürlich besteht diese Forderung zu Recht, aber auch hier wird der Erfolg Sachsens bestraft. Ganz anders Mecklenburg-Vorpommern. Bei einer Kreditfinanzierungsquote von acht Prozent wird eine Investitionsquote von nicht einmal 26 Prozent erreicht. Dafür verwirklicht Arbeitsminister Holter (PDS) sein auf der Moskauer Parteihochschule der KPdSU erworbenes Wissen in der wirtschaftlichen Praxis. Als Frontmann der ersten rot-roten Koalition konnte er sogar die Landes-SPD für die Schaffung eines "Öffentlichen Beschäftigungssektors" begeistern, zusätzlich zu den schon bestehenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Jobs mit tariflichen Entgelten in der Nachbarschaftshilfe und zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen sollen nun das Problem der Arbeitslosigkeit lösen helfen. Nicht nur Bayern weigert sich, für die Fortsetzung sozialistischer Experimente Steuermittel in bisheriger Größenordnung bereitzustellen. Weil der Finanzausgleich für die neuen Länder nur bis 2004 gilt, steht eine Neuregelung ohnehin an. Daß sie zur dringend notwendigen grundsätzlichen Reform genutzt wird, ist vom Kabinett Schröder aber nicht zu erwarten.


 
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