© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/99 21. Mai 1999


Konrad Löw: Kam das Ende vor dem Anfang? 150 Jahre "Manifest der Kommunistischen Partei"
Marx – eine brauchbare linke Galionsfigur
Alfred Schickel

Läßt man die Gedenktage des Jahres 1998 nochmals Revue pasieren, fällt einem noch nachträglich auf, wie in fast penetrantem Überschwang der 150. Jahrestag der Veröffentlichung des "Manifests der Kommunistischen Partei" zelebriert wurde. Da tat es gut, daß ein fachlich kompetenter Mann wie der Bayreuther Ordinarius Konrad Löw die unhistorischen Glorifizierungen der Manifest-Verfasser mit einer aufrüttelnden Erinnerungsschrift heilsam durchbrochen hat. Noch dazu im Gewande einer Frage, so daß man sich doch zu einer Antwort bemüßigt fühlen müßte.

Nur war und ist diese für aufrichtige Marxisten zugegebenermaßen nicht leicht, läuft sie doch ehrlicherweise auf einen Offenbarungseid hinaus; denn Konrad Löw läßt ihnen kein intellektuelles Schlupfloch, durch das sie sich und ihre Ideologie in den "Post-Marxismus" retten könnten. Seine handliche und spannende Schrift holt die 23 Druckseiten "Manifest" fein säuberlich aus der inzwischen von ihren politischen Interpreten vorgenommenen Mystifikation und legt sie dem Leser im blanken Original vor. Er packt sie dort an, wo sie sich selbst enthüllt und die später aufgesetzten Interpretationen gnadenlos Lügen straft. Konrad Löw kennt "seinen" Marx ausgesprochen gut. Nicht von ungefähr hat er gerade zuvor das entzaubernde Buch "Der Mythos Marx und seine Macher" geschrieben, in dem er akribisch nachweist, wie gezielt aus Geschichten um und über Karl Marx "Geschichte" wurde und eine brauchbare Galionsfigur herauskam. Bei Löw wird ein "Marx pur" offenbar, der beispielsweise über die USA ungleich hoffnungsvollere Worte fand als über Rußland, dem die USA eher berufen schienen für den Kommunismus als das damalige Zarenreich. In seiner hier vorzustellenden Schrift läßt Löw das posthume Sozialisten-Idol noch deutlicher werden und über die Vereinigten Staaten sagen: "Das vollendetste Beispiel des modernen Staats ist Nordamerika" und "Vom Anfang des amerikanischen Titanenkampfes fühlten die Arbeiter Europas instinktmäßig, daß an dem Sternenbanner das Geschick ihrer Klasse hing". Für Rußland und seine spätere Hauptstadt hatte der nachmalige Erzvater der Sowjetunion nur die despektierliche Feststellung übrig: "Moskau ist in der scheußlichen und erbärmlichen Schule mongolischer Sklaverei aufgewachsen und großgezogen worden. Seine Stärke erwarb es nur dadurch, daß es in den Fertigkeiten des Sklaventums zum Virtuosen wurde."

Würde Löw das Verdikt nicht durch genaue Quellenangaben belegen, möchte man es in "Mein Kampf" oder einer Goebbels-Rede vermuten. Eine politisch-ideologische Nähe, die für den Nachdenklichen mehr als zufällig ist und die einem Großen der zeitgenössischen Geschichtsschreibung hierzulande verdiente Bestätigung seiner heftig attackierten historischen Einordnung bringt.

So legte Konrad Löw mit seiner Arbeit nicht nur den Finger auf die gern verheimlichte Wunde der Linksideologen und kupierte ihre mittlerweile angesetzten Wucherungen, sondern schloß den unbekehrbaren Polit-Agitatoren auch den vorlauten Mund – wenigstens vorläufig. Denn es fällt denen einfach zu schwer einzusehen, daß das Ende des Kommunismus tatsächlich kam, bevor er überhaupt begann, redeten sie doch immer noch von der "sozialistischen Gesellschaft", als der Ostblock zusammenbrach, und noch nicht vom "Kommunismus". Mehr als taktische Ablenkungsmanöver zur Kaschierung ihres ideologischen Scheiterns vermögen sie freilich nicht mehr zu liefern, wobei ihnen die "Faschismus-Keule" als letzte "Geheimwaffe" dient. Die von Konrad Löw gebotene Materialfülle reicht jedoch hin, um diese verzweifelten Ausfälle schlußendlich erfolgreich abzuwehren. Dafür gebührt ihm Dank und seinem Buch größtmögliche Beachtung.

 

Konrad Löw: Kam das Ende vor dem Anfang? 150 Jahre "Manifest der Kommunistischen Partei", Kölner Universitätsverlag, Köln 1998, 202 Seiten, 29,80 Mark


 
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