© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/99 28. Mai 1999


Kolumne
Faschismuswahn
von Hans-Helmuth Knütter

Siegt der Faschismus weltweit? Hat er schon gesiegt? Eine befremdliche Frage? Durchaus nicht, wenn man das weltweite mißtönige Mediengeheul hört. Peter Handke, als Poet stets im Zustande der Erleuchtung, verkündet, die Nato errichte in Serbien ein neues Auschwitz. In St. Petersburg demonstrieren russische Serbenfreunde gegen "Adolf Clinton", und Solschenizyn vergleicht die Nato mit "Nazideutschland". Ein leftistischer Plakatkünstler präsentierte am 1. Mai in Saarbrücken Gerhard Schröder als Hitler. Statt des einen, 1945 abgetretenen, sind offenbar zahlreiche Hitler nachgewachsen. Serbenhäuptling Milosevic wird unzählige Male (Rudolf Scharping immer markig vorneweg) als "Faschist", sein Regime als "faschistisch" charakterisiert. Dabei kommt er aus der Kommunistischen Partei, die offenbar ein Haufen verkappter Faschisten war. Flugs besteigt er die Retourkutsche und denunziert die Nato als "faschistisch". Sie verhalte sich wie die "Nazi-Wehrmacht". Also: Faschisten bekämpfen Faschisten. Das muß einem gesagt werden. Auf solche Verdrehtheiten wären wir von selbst nicht gekommen. Linksextreme Grüne lehnen den Einsatz deutscher Truppen ab, weil die "Nazi-Wehrmacht" dort "gewütet" habe. Schröder, Scharping, Fischer & Co. wollen aber die deutsche Beteiligung, weil der Kampf Seite an Seite mit den demokratischen "Freunden und Verbündeten" gegen den "Faschisten" Milosevic eine Art antifaschistischer Wiedergutmachung ist. Also ein Kampf gegen die Erinnerungen an die "Nazi-Wehrmacht", womit das "deutsche Ansehen" gereinigt wird. Alle sollen sehen: Die BRD ist ein amerikanischer Satellit und brav. Dies in fünfzig Jahren betrachtet, wird zu dem Urteil führen: In Deutschland herrschten am Ende des 20. Jahrhunderts kollektiv induzierte Wahnvorstellungen. Die dann Lebenden werden Anlaß haben, sich der Generation von 1999 zu schämen. Vielleicht aber wirkt sie in der Rückschau nicht verächtlich, sondern nur lächerlich.

Jedenfalls macht der "Faschismus" gegenwärtig einen Bedeutungswandel durch. Er degenerierte zur Bezeichnung für alle Übel dieser Welt. Wenn aber alles "faschistisch" ist, dann ist nichts mehr faschistisch. Geht der Antifaschismus am Überdruß zugrunde, weil niemand mehr das linke Gesabber hören mag und die Faschismus-Keule als Pappmaché erkannt wird? Möglich. Vielleicht aber entsteht auch ein Stereotyp, desseen volksverhetzende Wirkung auch künftig anhalten wird. Gleichviel: Wenn die Grünen (und andere Linke) jetzt zugrunde gehen sollten (möglich, wenngleich nicht sicher), kann man in den Nachruf ohne Bedauern schreiben: Gestorben am Faschismus-Wahn.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen