© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/99 28. Mai 1999


Willy Wimmer
Mann der Sicherheit
von Matthias Seegrün

Geht es um den Krieg auf dem Balkan, herrscht in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion weit größere Eintracht als in den Reihen der Regierungskoalition. Doch während sich selbst die vermeintlich "Jungen Wilden" der Union als nordatlantische Konformisten erweisen und einmal mehr alles andere als aus der Reihe tanzen, findet immerhin einer klare Worte. Willy Wimmer, Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), zweifelte jüngst in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung entgegen der Mehrheitsmeinung seiner Partei an der generellen Bereitschaft der Nato, mit Belgrad zu einer Verhandlungslösung zu kommen.

Wimmer, der seit 1959 der CDU angehört und über den Landesvorstand der Jungen Union Rheinland sowie den Posten des Bezirksvorsitzenden der JU Niederrhein als Stationen seiner Parteikarriere 1986 in die Position des Vorsitzenden des Bezirksverbandes Niederrhein der CDU Nordrhein-Westfalen gelangte, ist seit 1976 Mitglied des Deutschen Bundestages. Der 1943 in Mönchengladbach geborene Rechtsanwalt kritisiert speziell die amerikanische und britische Außenpolitik. Sein Vorwurf an die beiden dominierenden Nato-Verbündeten: Ihr Ziel sei es, "die bedingungslose Kapitulation Belgrads" herbeizuführen. Wimmer äußerte die Vermutung, Amerikaner und Briten wollten den Krieg "auch deshalb bis zum bitteren Ende" durchziehen, damit sich nach dessen Beendigung – angesichts der ungeklärten völkerrechtlichen Fragen – "die internationalen Tribunale nur gegen eine Seite richten".

Der CDU-Politiker, der als Mitglied im Auswärtigen Ausschuß wirkt und von Dezember 1988 bis April 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium war, glaubt besonders in den "sehr extremen Stellungnahmen" des britischen Außenministers Cook den Versuch zu erkennen, "Fakten innerhalb der Nato zu setzen, die letztlich in die Richtung eines großen Krieges auf dem Balkan gehen". Die in England gezogenen Vergleiche mit Hitler und Eichmann ließen bei ihm die Frage aufkommen, "wohin diese Welt eigentlich rollt". Vor dem Hintergrund der seit Dezember vorigen Jahres erfolgenden amerikanisch-britischen Luftschläge gegen den Irak, die ebenfalls nicht durch die Vereinten Nationen legitimiert worden seien, sagte Wimmer, er könne sich vorstellen, daß auch in diesem Fall beide im Alleingang den Krieg fortsetzen könnten.

Die aktuellen Anstrengungen mehrerer Nato-Länder, doch noch zu einer Verhandlungslösung zu kommen, bezeichnete er als Ergebnis eines Erkenntnisprozesses. Viele Staaten kämen "mehr und mehr dahinter, daß sie selbst große Probleme bekommen werden, wenn es künftig nur noch nach dem Recht des Mächtigsten, also den USA, geht".


 
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