© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/99 04. Juni 1999


Konzert: Bruce Springsteen & The E-Street-Band in Berlin
Eine legendäre Einheit
Thorsten Thaler

Einzeln treten sie aus der Dunkelheit der Bühne in den weißen Lichtkegel des Scheinwerfers und singen je eine Strophe von "If I Should Fall Behind". Es ist ein elektrisierender Moment, dessen symbolische Bedeutung jedoch im Beifallsrausch des Publikums unterzugehen droht. Denn die Mitglieder der E-Street-Band treten nicht bloß ins Scheinwerferlicht, sondern vor allem treten sie für diesen einen Augenblick aus dem Schatten Bruce Springsteens heraus und nehmen Gestalt an, bevor sie wieder in die Band eintauchen. Zum Ausklang des Liedes drängen sich alle um ein Mikrophon, zusammen singen sie die letzten Takte, und stärker als je zuvor offenbart sich, warum Bruce Springsteen und seine E-Street-Band eine so legendäre Einheit bilden.

Mehr als zehn Jahre mußte die Fangemeinde in Deutschland auf Auftritte Bruce Springsteens mit seiner alten Band warten. Doch das Warten hat sich gelohnt. Was der "Boss" auf seiner Deutschland-Tournee dem Publikum bietet, spiegelt Glanz und Größe zurückliegender Tage – freilich ohne dabei in bleierne Nostalgie zu fliehen.

Am vergangenen Wochenende eröffnet er in der ausverkauften Parkbühne Wuhlheide in Berlin-Köpenick sein Programm mit "My Love Will Not Let You Down", einem Stück von der CD-Box "Tracks", die der bald 50jährige Springsteen im Herbst 1998 als "die Alternativ-Version meines Lebens" veröffentlichte. In den folgenden Songs bietet er dann einen Querschnitt seines künstlerischen Schaffens, angefangen von "Tenth Avenue Freeze-Out" (1975) über "The Promised Land" und "Badlands" (beide 1978) bis zu "Darlington County" und "Working On The Highway" (beide 1984). Springsteen und seiner Band ist die Spielfreude anzumerken, das Tempo ist hoch, die Stimmung im Publikum ausgelassen.

Danach verläßt die E-Street-Band die Bühne, um einem anderen Bruce Springsteen das Feld zu überlassen, jenem schwermütigen Geschichtenerzähler, als der er sich 1995 auf seinem mit Country-Versatzstücken durchwirkten Solo-Album "The Ghost Of Tom Joad" präsentierte und aus dem er nun das gleichnamige Titelstück singt. Das Publikum in der Wuhlheide reagiert auf den abrupten Tempo- und Stimmungsumschwung irritiert, es will vor allem den guten alten Rock’n’Roll hören – und es wird nicht enttäuscht.

In der zweiten Hälfte des Konzerts bringt Springsteen – nun wieder mit der E-Street-Band im Rücken – die Arena erneut zum Brodeln. Höhepunkte sind die Klassiker "Hungry Hearts", "Born To Run" und "Thunder Road".

Nach drei Stunden verabschiedet sich Springsteen mit einem Vorgeschmack auf eine bereits angekündigte Studioproduktion mit der E-Street-Band: "Land Of Hope And Dreams" heißt das Stück, mit dem er ein begeistertes Publikum an diesem Abend auf den Heimweg schickt. thorsten thaler

Die nächsten Auftritte finden statt am 13. Juni in Leipzig, am 15./16. Juni in Offenbach und am 17. Juni in Bremen.


 
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