© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/99 11. Juni 1999


Weiter so nach Bremen
von Dieter Stein

Die Landtagswahlen in Bremen haben den Kanzler gestützt. Henning Scherf, Regierungschef in Bremen, geht mit seinem Vize Perschau gestärkt aus der Wahl hervor. Noch nie ist in Deutschland eine Große Koalition von den Wählern so bestätigt worden wie in der Hansestadt. Wenn obendrein die Grünen als einzige nennenswerte Oppositionspartei über vier Prozent verlieren, so ist das in einer Stadt vernichtend, die eigentlich zu den grünen Hochburgen zählte. Man kann sich ausdenken, was dies bedeutet hätte, wenn es nicht in den Tagen vor der Wahl noch zu Friedensverhandlungen im Kosovo gekommen wäre.

Auch die kleineren Parteien konnten aus der Konstellation einer Großen Koalition nicht ihren Vorteil ziehen. Die DVU ist künftig mit einem Abgeordneten vertreten, konnte aber kaum davon profitieren, daß sie "konkurrenzlos", also ohne die Republikaner antraten. Es ist daraus zu folgern, daß die Republikaner auch kaum einen Nutzen davon haben, daß die DVU nicht zur Europawahl antritt. Angesichts der Friedensverhandlungen im Kosovo wird im Bremer Trend nun mit einer Stärkung der großen Parteien SPD und Union zu rechnen sein. Die FDP stürzt weiter ab, und die Grünen werden von der Basis durch Wahlenthaltung und Wechsel zur SPD abgestraft.

Kapital werden somit weder PDS noch Republikaner aus dem Kosovo-Desaster schlagen können. Eher wird es zu einem weiteren Absturz der Wahlbeteiligung kommen. Schon in Bremen haben sich nur noch 60 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen begeben. Es wäre erstaunlich, wenn überhaupt jeder Zweite zur Europawahl geht.

Das ist besorgniserregend und weist darauf hin, wie wenig die Bürger noch glauben, durch ihre Stimmabgabe verändern zu können. Der Europawahlkampf ist müde und lau. Es werden neckische Plakate aufgehängt, man zeigt gelbe und rote Karten, streckt sogar dem Wähler den blanken Hintern entgegen – ansonsten verzichten die Parteien auf Polarisierung und klare Standpunkte. Alle gehen auf Nummer Sicher, und die Bürger sind genervt und wenden sich ab.

Alles in allem zeigen Bremen und die kommende Europawahl, wie makaber sich die alte Weisheit bestätigt, daß Kriege von der Innenpolitik ablenken und die Bevölkerung ruhigstellen. In Bonn kann es drunter und drüber gehen, ermüdet vom Balkan-Krieg schaltet der Normalbürger beim Thema Politik ab und verabschiedet sich geistig derzeit präventiv in den Sommerurlaub. Es wird also auch nach dem 13. Juni alles mehr oder weniger beim Alten bleiben.


 
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