© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/99 11. Juni 1999


Südtirol: Reinhold Messner (Grüne) und Eva Klotz (UfS) ringen um weiteres Tiroler Europa-Mandat
Volkspartei mit besten Aussichten
Peter Ertel

Spannend dürfte die EU-Wahl in Südtirol verlaufen. Während das zur Republik Italien gehörende Land bisher in Straßburg nur durch Michl Ebner von der dominierenden Südtiroler Volkspartei (SVP) vertreten war, haben diesmal noch zwei weitere Kandidaten eine reelle Chance auf den Einzug ins EU-Parlament: der Bergsteiger Reinhold Messner für die Grünen und die Landtagsabgeordnete Eva Klotz von der österreich-treuen Union für Südtirol (UfS). Etwa 280.000 Wähler in der "Provinz Bozen" werden ihre Stimme abgeben. Mehr als zwei Drittel davon gehören zur deutschen Sprachgruppe.

Michl Ebner wird mit Sicherheit wiedergewählt, denn die SVP kam 1994 auf 158.000 Stimmen, und der Kandidat braucht, dank des italienischen Wahlrechts, lediglich 50.000 Stimmen. Genau hier setzt die UfS von Eva Klotz an: Sie betont, sämtliche zusätzlichen SVP-Stimmen kämen nur den "Democratici" des zukünftigen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi zugute, mit denen die SVP eine technische Listenverbindung im italienischen Wahlkreis "Nord-Ost" eingegangen ist. Für Südtirol wären diese Stimmen verloren.

Eva Klotz, die auf Platz drei einer Liste mit der "Liga Veneta" und anderen Autonomisten aus dem Trentino, Friaul/Julisch-Venetien und der Emilia-Romagna kandidiert, ruft die Südtiroler Wähler nun dazu auf, der UfS – und ihr persönlich – möglichst viele jener überzähligen Stimmen zu geben, die Michl Ebner eigentlich gar nicht nötig hat. Denn das bringe einen Sitz mehr für Südtirol. Damit hat sie recht.

Die SVP allerdings kommt angesichts dieses plausibel klingenden Vorschlags in Erklärungsnöte. Sie beharrt auf dem Alleinvertretungsanspruch als Südtiroler "Sammelpartei" und betont nun eisern, auch sie selbst wolle, zusammen mit den "Democratici", ein zweites Mandat erringen. Der Haken dabei ist: Die SVP müßte dazu mindestens 250.000 Stimmen holen, also fast 100.000 mehr als vor fünf Jahren – und weit mehr, als die deutschsprachigee Volksgruppe überhaupt zu vergeben hat. Unmöglich.

Eva Klotz will sich den Autonomisten anschließen

Die SVP-Argumentation steht also auf wackligen Füßen, doch Michl Ebner hat den großen Vorteil, daß er seine Thesen tagtäglich in der Fast-Monopol-Tageszeitung Dolomiten verbreiten kann. Er ist nämlich zufällig deren Mitbesitzer und Verlagsdirektor.

Im EU-Parlament, sollte sie es bis dahin schaffen, will Eva Klotz sich der "Freien Europäischen Allianz" anschließen, die bisher von den Autonomisten aus dem Baskenland, Katalonien, Schottland und dem deutschsprachigen Belgien gebildet wird. Michl Ebner dagegen gehört zur Fraktion der "Europäischen Volkspartei" – zusammen, unter anderem, mit CDU und CSU.

Prinzipielle weltanschauliche Unterschiede zwischen SVP und UfS sind indes kaum auszumachen. Nur: Die SVP hat sich mit dem italienischen Staat arrangiert, während die UfS unbeirrt die Rückkehr Südtirols nach Österreich anstrebt.

1998 erreichte die SVP bei den Landtagswahlen über 50 Prozent und regiert damit unangefochten im Bozner Landhaus – wenn auch, das verlangt das Autonomie-Statut, pro forma mit italienischen Koalitionspartnern.

Die UfS auf der anderen Seite hat zwar nur eine Stammwählerschaft von ca. fünf Prozent, kam aber zuletzt, bei den italienischen Parlamentswahlen im Jahre 1996, mit Eva Klotz als Kandidatin, auf beachtliche 19,26 Prozent.

Ein ähnliches Ergebnis würde reichen für einen UfS-Sitz in Straßburg - und damit wäre der Status der "Sammelpartei" SVP schwer erschüttert, denn Eva Klotz als Europa-Abgeordnete wäre eine unübergehbare Instanz im Land.

Reinhold Messner, der dritte aussichtsreiche Kandidat, wurde den Südtiroler Grünen erst nach langen Debatten von der Zentrale der römischen "Verdi" aufoktroyiert. Die Vorsicht der Einheimischen war angebracht. Zwar geht der weltweit berühmteste Südtiroler, etwa bei den Themen Gentechnik und Massentierhaltung, mit der grünen Partei absolut konform. Mit seiner unverhohlenen Sympathie für den SVP-Landeshauptmann (Ministerpräsident) Luis Durnwalder und einem Plädoyer für den Flughafenausbau in Bozen allerdings verstieß er schon früher gegen grüne Tabus. Helle Aufregung sogar herrschte dann in der heißen Wahlkampfzeit, als Messner eine Anzeige aus einer deutschen Jäger-Zeitschrift vorgehalten wurde, in der er Werbung für ein Jagdgewehr machte. Der Kandidat führte zwar an, daß, seiner Ansicht nach, die Tiroler Bergbauern das Recht zur Hege des Wildbestands hätten. Diese Meinung aber widerspricht der grünen Beschlußlage. Die fast sichere Wahl ins EU-Parlament scheint seither plötzlich gefährdet. Immerhin: Neuerdings gilt Messner als Held der italienischen Jägerschaft. Und die ist auch ziemlich zahlreich.

Messner wäre übrigens nicht der erste Südtiroler Grüne in Straßburg. Denn schon 1989 wurde Alexander Langer, der um 1968 die "Neue Linke" im Land initiiert hatte, für die Grünen ins EU-Parlament gewählt. Langer beging 1995 Selbstmord. In seinem Abschiedsbrief schrieb er sinngemäß, er halte die Ungerechtigkeit in der Welt nicht mehr aus - speziell die im damals tobenden Bosnien-Krieg. Langer wörtlich: "Ich derpack es nimmer."

Sogar Otto von Habsburg (CSU) hat oft, und er tut dies auch heute noch, vom politischen Talent und der Menschlichkeit seines Parlaments-Kollegen Alexander Langer aus Südtirol geschwärmt.

Nebenbei: Die italienischsprachige Bevölkerung in Südtirol entsandte bisher zwei Abgeordnete ins EU-Parlament: den Kommunisten Anselmo Gouthier (1979–1984) und den Neofaschisten Pietro Mitolo (1992–1994).


 
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