© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/99 11. Juni 1999


Neue Offenheit: So knacken internationale Geheimdienste den elektronischen Datenverkehr
Orwell ist ein Waisenknabe
Detlev Rose

Privatsphäre ade: Seit vielen Jahren hören die US-amerikanische National Security Agency (NSA) und andere westliche Geheimdienste mit ihrem Abhörnetz ECHOLON weltweit die gesamten Sprach-, Fax-, Daten- und Mobilfunk-Kommunikation ab und werten sie aus. Dies wird in der neuen EU-Studie "Interception Capabilities 2000" belegt.

Der netNewsLetter führt in seiner Ausgabe 22 vom 4. Juni interessanteste Details der Studie auf. Demnach werden weltweit jährlich rund 30 bis 40 Milliarden Mark für Abhöreinrichtungen ausgegeben, besonders aktive "Lauscher" sind die USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Allein die US-Abhöranlage im bayerischen Bad Aibling kostet eine Milliarde Mark pro Jahr.

Seit 1995 filtert die NSA mit Hilfe sogenannter Sniffer-Software (Programm, das den Inhalt von Daten nach bestimmten indizierten Begriffen durchsucht) alle Daten, die durch die neun größten Internet-Knotenpunkte fließen. Hilfreich ist dabei, daß auch die europäischen Daten wegen der günstigeren Route oft den Umweg über die USA nehmen. Zusätzlich setzen mehrere Geheimdienste wie die gängigen Suchmaschinen "Roboter" ein, die das Internet nach bestimmten Inhalten durchforsten und entsprechende Webseiten zur manuellen Überprüfung herausfiltern.

1995 hat die NSA ihre "Macht-Karte" gespielt und Firmen wie Microsoft, Netscape und Lotus "überzeugt", ihre Verschlüsselungsmechanismen bei Programmen, die ins Ausland exportiert werden, künstlich zu verschlechtern. Seitdem wird bei jeder codierten e-mail ein Teil des Codes versteckt mitgeschickt, so daß die Decodierung für die NSA ein Kinderspiel ist. Ohne Wissen und Legitimation ihrer Regierungen treffen sich seit 1993 auf Initiative des FBI Abhörexperten aller Geheimdienste, um gemeinsame Standards der Kommunikationsspionage zu besprechen.

Ein Hoffnungsschimmer: Auch die Verschlüsselungstechniken für e-mails werden leistungsfähiger (Tip: http://www.pgpi.com). Die EU-Studie "Interception Capabilities 2000" ist im Volltext abrufbar unter: http://www.iptveports.mcmail.com/stoa-cover.htm.


 
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