© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/99 18. Juni 1999


Kommunalwahlen: Christdemokraten profitieren von der Verärgerung über Rot-Grün
München bildete die Ausnahme
Alexander Schmidt

So einmalig wie die Abwahl einer Regierung in Deutschland bei der Bundestagswahl im Herbst vorigen Jahres bisher war, so beispiellos ist auch die Talfahrt der Sozialdemokraten, die bei allen seitherigen Wahlen Federn lassen mußten.

Die Union konnte durch die Mobilisierung ihrer Wählerschaft und die Unzufriedenheit der Deutschen mit der Regierungskoalition aus SPD und Grünen Erdrutschgewinne einfahren, die Wahlergebnisse der vergangenen Europawahl bis zu 16 Prozent übertrafen.

Kommunalwahlen in sechs Bundesländern zeigten am vergangenen Wochenende, daß sich dieser Trend bis in die Rathäuser fortsetzt. Ebenso deutlich wird auch, daß Kleinparteien wie Grüne und Liberale mehr und mehr Wähler verlieren. Jede einzelne Wahl wird von den beiden Volksparteien zur Entscheidungswahl stilisiert, mit der Folge, daß auch für den Wähler nur noch die Entscheidung zwischen rot oder schwarz präsent ist. Betroffen von dieser Stimmung sind Rechtsparteien, deren Stimmenpotential entweder von der Union aufgesogen wird oder sich in immer größer werdenden Gruppen von Nichtwählern ausdrückt.

Nach dem Erfolg der Deutschen Volksunion (DVU) bei der vergangenen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, als die Partei des Münchner Zeitungsverlegers Gerhard Frey mit 12,9 Prozent und 16 Abgeordneten in den Landtag einziehen konnte, erreichte die DVU jetzt nur noch 0,4 Prozent der Stimmen. "Hier hat sich die Aufklärung bemerkbar gemacht", kommentierte Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) das Ergebnis.

Gleichzeitig ging die PDS, die als einzige Bundestagspartei gegen den Krieg im Kosovo sprach, gestärkt mit leichten Gewinnen im Westen und starken Stimmenzuwächsen in den östlichen Bundesländern aus den Wahlen hervor. Der thüringische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Bernhard Vogel erklärte das überraschend starke Abschneiden der Linksextremen zwar für "bedauerlich", jedoch könne das Ergebnis auf die geringe Wahlbeteiligung zurückgeführt werden. In fast allen Wahllokalen gingen nämlich weniger Wähler zur Urne als bei der vergangenen Kommunalwahl.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die Union bei einer Wahlbeteiligung von 50,5 Prozent als klarer Sieger aus den Wahlen hervorgegangen. Zwischen Stimmengewinnen von zehn Prozent und der Verdoppelung der Stimmen (Schwerin) für die Christdemokraten konnte die Union im Kreis Damin mit 52 Prozent die absolute Mehrheit erringen. "Die Wahl ist eine Quittung für die verfehlte rot-rote Politik im Lande und das rot-grüne Chaos im Bund", so der Schweriner Fraktionschef der CDU, Eckhard Rehberg.

Auch in Thüringen ist die CDU als Sieger aus der Kommunalwahl hervorgegangen. Damit sieht der Landesvorsitzende der Union, Bernhard Vogel, eine gute Ausgangsposition für die Landtagswahl am 12. September. Nach den Angaben des thüringischen Wahlleiters erzielte die Union bei der Wahl zu den Kreistagen 43,3 Prozent, die SPD kam auf 23,9 Prozent, die PDS auf 18 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag knapp unter 60 Prozent.

Weitere Gewinne für die Union gab es im Saarland, Rheinland-Pfalz und Sachsen, bei denen selbst traditionelle SPD-Hochburgen einstürzten. In Leipzig konnte die CDU mit einem Stimmenzuwachs von neun Prozent die SPD als stärkste Partei im Stadtrat ablösen. Der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) rechnet für die nahe Zukunft zwar nicht mit einem Politikwechsel, sondern setzt auf die Fortsetzung der großen Koalition. Wie lange aber noch die SPD bei einer stärkeren Union den Bürgermeister stellen wird, ist fraglich.

Für das schlechte Abschneiden der Linken bei der Wahl hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, den "Stolperstart" der Bundesregierung verantwortlich gemacht. "In der SPD muß eine klare soziale Linie sichtbar sein" forderte Höppner in der Leipziger Volkszeitung. Gerade nach dem "Schöder-Blair-Papier" will Höppner seinen Anspruch der linken SPD in der eigenen Zusammenarbeit mit der PDS verwirklicht sehen. Überraschenderweise konnte die Initiative "Bürger für Görlitz" 18,4 Prozent der Stimmen für sich gewinnen.

Auch in Rheinland-Pfalz mußte die in einer Koalition mit der FDP regierende SPD eine schwere Niederlage einstecken. Der dortige Ministerpräsident Kurt Beck sagte, daß es "am Abschneiden der SPD nichts zu beschönigen gibt". Entgegen den Stimmengewinnen der Union in Höhe von bis zu 12,5 Prozent verloren SPD, Liberale und Bündnisgrüne landesweit an Wählern. Die Sozialdemokraten landeten mit 36,1 Prozent auf Platz zwei hinter der CDU, die auf 46 Prozent kam. Drittstärkste Kraft blieben die Freien Wähler mit landesweit 7,3 Prozent, gefolgt von den Grünen mit 5, 1 Prozent und den Liberalen mit 4,1 Prozent. Die Republikaner verloren bei der Wahl 0,1 Prozent, die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) 0,2 Prozent.

Die FPD könne aus dem Ergebnis lernen und in Zukunft ihre Positionen unabhängiger von Union oder Sozialdemokraten formulieren, betonte der FDP-Justizminister Peter Caesar. Tatsächlich haben die Wähler die Doppelbödigkeit der FDP-Kampagne bemerkt, in der die Quittung für rot-grün mit der "gelben Karte" gefordert wird, gleichzeitig aber die FDP fast geschlossen mit der SPD den Bundespräsidenten wählt.

"Seit Sonntag gibt es im Land neue politische Mehrheiten", sagte der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christoph Böhr. Das Konzept der Union, auf Dialog mit den Bürgern vor Ort zu setzen, habe sich bei der Wahl ausgezahlt.

Nur in München wurde der amtierende Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) mit 61 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt. Entgegen dem Bundestrend legte er noch zehn Prozent zu, während sein CSU-Herausforderer Aribert Wolf nur 37,8 Prozent der Stimmen erlangte.

Die übrigen Wahlverluste seiner Genossen seien darauf zurückzuführen, sagte Ude, daß "das Lebensgefühl der Bevölkerung nicht ausreichend zur Kenntnis genommen wird". Die SPD segle in Bayern am linken Rand. Er stehe statt dessen für den Schulterschluß mit den Münchnern. Worte eines Kommunalpolitikers, die sich SPD-Politiker auch in anderen Landesteilen zu Herzen nehmen sollten.


 
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