© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/99 18. Juni 1999


Zeitschriftenkritik: "Ketzerbriefe"
Auf Provokationen bedacht
Werner Olles

Die Ketzerbriefe – Flaschenpost für unangepaßte Gedanken erscheinen mindestens sechsmal jährlich. Herausgeber ist der "Bund gegen Anpassung" in Freiburg, und dort ist auch der Ahriman-Verlag ansässig. Schaut man sich die Inhaltsverzeichnisse der bereits erschienen Hefte an, so fällt auf, daß neben einer extrem antiklerikalen und antichristlichen Attitüde vor allem Provokationen und Tabubrüche gepflegt werden. Widerspruch und Bekennermut gehören schon zu den essentiellen Tugenden der sogenannten "Marxistischen-Reichistischen Initiative" und der Bunten Liste Freiburg, aus denen schließlich der "Bund gegen Anpassung" hervorging.

Ob sich Fritz Erik Hoevels zum "Tabuthema AIDS-Stop" äußert und eine prophylaktische Seuchenhygiene mittels zweimaliger Testung der gesamten deutschen Bevölkerung im Abstand von drei Monaten fordert, oder gegen die Verfälschung der Lehren von Marx und Freud durch die Linke wettert, es gibt kaum ein Ereignis oder einen Streitpunkt, zu dem nicht detailliert Stellung bezogen wird. So geht es im Sonderheft Naturwissenschaften um den Evolutionsbiologen Ernst Haeckel, dem insbesondere von den Naturwissenschaftsmagazinen Nature und Science vorgeworfen wird, seine schematisierten Embryonenbilder gefälscht zu haben. Tatsächlich steckt dahinter weit mehr, nämlich die konsequente Ablehnung Haeckels als Repräsentant der Darwinschen Evolutionstheorie. Die Ketzerbriefe protestieren aber auch gegen die Zerstörung der Naturkundemuseen durch die Vermietung der Ausstellungsräume an dubiose Gruppen, die hier ihre Events feiern wollen. So mußten im Frankfurter Senckenbergmuseum bereits Schäden an den Dinosaurierskeletten festgestellt werden.

Auch beim Kampf um die in Deutschland verfemte Bioethik haben es die "Ketzer" mit einem mächtigen Gegner aus SPD, Grünen, Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden zu tun. Obwohl ja Biomedizin nur partiell mit Eugenik zu tun hat, wird dies von interessierter Seite immer wieder ins Spiel gebracht.

Politisch solidarisiert man sich gern mit dem Irak und Serbien, denen von seiten des US-Imperialismus und der "westlichen Wertegemeinschaft" nach Ansicht der Zeitschrift schlimmes Unrecht widerfährt. Die Berichterstattung über die Kriege in Ex-Jugoslawien durch die Medien wird als "verabscheuungswürdige Lügen" bezeichnet, serbische Massaker im Kosovo sind in der Regel "angebliche", dafür droht jedoch ein "neuer Völkermord an den Serben", ausgelöst durch "Hitlers Enkel".

Sehr ausführlich berichten die Ketzerbriefe auch über das Los verfolgter Schriftsteller, die in ihrer jeweiligen Heimat von religiösen Fundamentalisten oder der Staatsführung existentiell bedroht sind.

 

Die "Ketzerbriefe" erscheinen alle zwei Monate im Ahriman-Verlag, Postfach 6569, 79041 Freiburg. Das Einzelheft kostet 9 DM, das Jahresabo 45 DM.


 
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