© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/99 25. Juni 1999


Das Kabinett
von Bernd-Thomas Ramb

Die Fundis der SPD sind auf dem Rückzug, die Realos haben, wie so häufig bei einem Wechsel von der Opposition zur Regierung, das Oberwasser – nicht immer nur der Not gehorchend, sondern häufig auch der eigenen verborgenen Tugend. Der Bundesarbeitsminister und die ihm zugeschriebenen Ansätze zur Rentenreform, genauer zur Reform der Rentenfinanzierung, sind ein glänzendes Beispiel für ein ehernes Gesetz der Politik: Letztlich entscheidend ist nicht die politische Ideologie, sondern die ökonomische Realität.

Das Umlageverfahren, die momentanen Beitragszahler finanzieren die momentanen Renten, läßt sich aufgrund der demographischen Entwicklung nur aufrechterhalten, wenn die Beiträge angehoben, die Beitragszeit, sprich Arbeitszeit, verlängert, die Rentenbezüge gesenkt oder die Lebenszeit gekürzt wird. So schlicht und brutal ist die mathematische Realität, der sich selbst eine SPD-Regierung nicht entziehen kann. Natürlich kann das Defizit des Rentensystems auch durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt ausgeglichen werden. Die Ökosteuer war der passende Ansatz, der schnell offenbarte, daß sich dieses Modell wie jede staatliche Subvention schnell zu einem Faß ohne Boden entwickeln kann.

Riester hat sich in der Qual der Wahl eines sozialpolitischen Folterinstruments für die Notbremse des Rentenbezugs entschieden. Nur ein Sozialdemokrat kann so etwas wagen. Als weiland Norbert Blüm ("Die Renten sind sicher") ähnliches andachte, waren dem herzlosen Sozialketzer wütendes Protestgeheul und seinen Denkansätzen die ewige Verdammnis in die frühkapitalistische Hölle sicher. Riesters Reform wird auch mit Entsetzensschreien empfangen, gleichwohl setzt sich, besonders bei den konservativen Sozialdemokraten, zu denen sich grüne Konservative gesellen, die Auffassung durch, daß die Flagge des Rentenirrsinns endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht hat. Wissenschaftler haben stets gefordert, das Instrumentarium der Rentensanierung um die – wenigstens teilweise – Aufhebung des Umlageverfahrens zu erweitern, wissenschaftliche Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sogar ihr zwangsläufiges Eintreffen prognostiziert. Doch der gehört der CDU an. Nur ein SPD-Politiker wie Riester darf offensichtlich solchen Tatsachen politisch Rechnung tragen und die Einführung einer freiwilligen Rentenversicherung zur Pflicht erheben.

Hier bestätigt sich eine alte politische Vermutung: Nicht was getan wird, ist entscheidend, sondern wer es tut. Rechte Politik können und dürfen nur linke Politiker durchsetzen. Wenn Schröder dieses System durch- und die rechten Kabinettskollegen bei der Stange hält, wird er der beste CDU-Kanzler seit Helmut Schmidt.


 
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